Es ist die ruhige Zeit zwischen den Jahren. Fellow Eliza nutzt sie, um auf das alte Jahr zurückzublicken und um Pläne für das neue zu machen. An ein paar dieser Gedanken, und was dies mit ihrem Fellow-Dasein zu tun hat, lässt sie uns teilhaben.
Ich sitze zwischen den Jahren auf dem alten Schreibtisch meiner Mutter, lasse das Jahr 2017 Revue passieren und (ver)plane schon 2018. Dabei muss ich feststellen, dass 2017 durchaus ein erfolgreiches Jahr für mich persönlich war. Dies mache ich daran fest, dass ich Ziele, die für mich von großer Relevanz sind, erreicht habe: mein Master-Studium abschließen, einen Job finden, meine Schwarzgurtprüfung bestanden. Aber es sind nicht die Ziele im Sinne des Zeugnisses, des Vertrags oder des Diploms, die das Gefühl von Erfolg versprühen. Es ist das Wissen um die Hingabe und das Engagement das zum Erreichen der Ziele geführt hat.
Um zu illustrieren, was ich damit meine, müssen wir ein Jahr zurückspulen: Silvester 2016/17. Ich saß mit zwei weiteren Freunden in einem italienischen Restaurant. Alle drei hatten wir keine andere Party gefunden, also haben wir uns zusammengeschlossen. Natürlich haben wir uns im Laufe des Abends über unsere Pläne und Ziele für das kommende Jahr unterhalten. Meine Ziele waren ebenso Gesprächsthema. Doch zu diesem Zeitpunkt waren sie entweder noch sehr weit entfernt oder gar Fantasien. Die Schwarzgurtprüfung zum Beispiel: Ich war zum Ende des vorletzten Jahres aus meinem alten Verein ausgetreten und hatte noch keine Vorstellung, wie es weitergehen sollte. Dennoch war das mein Wunsch und gewissermaßen mein Ziel. Als das Jahr begann, habe ich gemerkt, wie groß meine Sehnsucht war, wieder in den Karateanzug zu schlüpfen und ein paar Tsukis (gerade Fauststöße) zu schlagen. Also machte ich mich auf die Suche nach einem neuen Verein.
Der erste hat mir nicht sonderlich gefallen, weshalb ich frustriert war und schon kurz überlegte, mit dem Suchen aufzuhören. Tags darauf aber rief ein guter Bekannter an und sagte, er trainiere jetzt in einem ganz tollen Verein und ich solle doch mal zum Training kommen. Dieses Angebot habe ich nicht ausgeschlagen und gehe seitdem enthusiastisch mindestens zwei Mal die Woche zum Training. Dort habe ich auch gleich eine Schwarzgurtvorbereitungsgruppe gefunden. So wurde aus meiner Fantasie ein konkretes Ziel samt Plan.
Ein Motivator, der mich zur Prüfung pusht
Jedoch schien mir dabei mein anderes erreichtes Ziel, der Fellow-Job, in die Quere zu kommen. Oder um es genauer zu sagen: die sechswöchige Sommerakademie. Erst dachte ich daran, die Prüfung zu verschieben, weil ich die Mehrfachbelastungen – immerhin musste ich auch noch meinen Master abschließen – nicht abschätzen konnte. Doch ich hatte zum Glück in meiner Vorbereitungsgruppe einen Motivator, der mich gepusht hat, doch zur Prüfung anzutreten. Nach einem Gespräch mit meinem Trainer habe ich dann auch das Gefühl gehabt, es schaffen zu können. Daraus habe ich den Glauben an meine eigenen Fähigkeiten gewonnen und die Überzeugung, dass ich es trotz der Umstände schaffen werde. Mir ist klar geworden, dass ich etwas kann und dass ich keinen Grund habe, daran zu zweifeln. Mir ist ebenso klar geworden, dass mein größtes Hindernis die Teufelsspirale ist, die mit dem Gedanken losspinnt „Ich bin nicht gut genug.“ Dieses Selbstbewusstsein hat mir den Mut gegeben, meine Stärken zu sehen und an meinen Schwächen zu arbeiten. Der Rest war Planung.
Was ich an dieser Geschichte zeigen möchte: Es ist sehr wohl möglich, die persönlichen Ziele zu erreichen, egal wie weit weg sie auch zu sein scheinen. Wenn man sich auf dem Weg befindet, der zu einem selbst führt, kommen auch solche „Zufälle“ zu Stande, die einen näher an das Ziel bringen. Die Kunst ist, diese zu erkennen. Und die Herausforderung ist, nicht bei den ersten Schwierigkeiten aufzugeben. Die Bestätigung wird zum richtigen Zeitpunkt kommen.
Wenn Kleinigkeiten große Schritte sind
In meiner täglichen Arbeit mit den Schüler*innen erlebe ich ähnliche Geschichten. Ich habe eine Schülerin, die nicht gerade einfach ist. Sie ist vor circa drei Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen, und hat neben den Schwierigkeiten des Einlebens in eine neue Kultur auch familiäre Probleme. Sie befindet sich in einem konstanten Zustand der Wut und kann ihren Gedanken kaum Ausdruck verleihen. Anfangs konnte ich nicht zuordnen, was sie bewegt und warum sie sich so verhält, wie sie es tut. In mehreren Gesprächen ist mir dann das Ausmaß ihrer Erlebnisse klargeworden, insbesondere ihr Zwiespalt: Einerseits möchte sie am Leben in der Schule und in Deutschland teilhaben, andererseits bedeutet ihr ihre Familie viel, auch wenn es zurzeit nicht einfach ist. Ich habe ihr vermittelt, dass ich es als meine Aufgabe verstehe, ihr bei der Integration zu helfen, dass ich für sie eine Ansprechpartnerin sein kann. Ich konnte ihr auch zeigen, dass es ebenso von ihrem eigenen Verhalten abhängt, wie sich ihre Mitschüler*innen ihr gegenüber verhalten. So hat sie mir zum Beispiel einmal, als sie zu spät in den Karate-Kurs gekommen ist, eine Entschuldigung geschrieben. An dieser Kleinigkeit habe ich gemerkt, dass ich doch etwas in ihr bewegt habe. Auch wenn es noch ein weiter Weg ist, hat sie den ersten Schritt getan. Und dies zu sehen, ist ein großartiges Gefühl. Auf dieser Grundlage können wir gemeinsam weitere Ziele angehen.
Mein Ziel als Fellow für 2018 ist, dass noch viel mehr meiner Schülerinnen und Schüler diese Erkenntnis machen können. Ich möchte ihnen dabei helfen, herauszufinden, was ihnen Spaß macht und was außer ihnen sonst niemand kann. Ich möchte ihnen zeigen, wie man aus einem Hirngespinst ein Ziel machen und erreichen kann. Ich möchte sie darin unterstützen, zu selbstbewussten und selbstständigen Menschen heranzuwachsen.
Was ich mir sonst für 2018 vorgenommen habe, ist, dass ich mir Ziele setze, die authentisch sind. Dazu muss ich ehrlich mit mir selbst sein und keine Angst vor meinen Stärken haben. Und ich muss Mut haben, ins Ungewisse zu gehen – das ganze Herz in eine Sache werfen, egal, was passiert. Ich bin überzeugt, dass ich in meinem Fellow-Einsatz sehr viele Gelegenheiten dafür bekommen werde :)!
Autorin: Eliza Mintcheva ist Fellow der Klasse 2017 und eingesetzt an der Schule im Sand in Bietigheim-Bissingen. Davor hat sie an der Eberhart-Karls-Universität in Tübingen ihren Master im Studiengang Deutsche Literatur gemacht. Sie stammt aus Bulgarien.