Arabisch, Italienisch, Portugiesisch und Deutsch – viele Sprachen schwirren täglich durch die Klassenräume der Vorbereitungsklasse von Fellow Sandra, manchmal auch mehrere Sprachen in einem Satz. Lebendige Mehrsprachigkeit, das Nebeneinander verschiedener Sprachen, ist für ihre Schülerinnen und Schüler Alltag. Jeden Tag bewältigen und erleben sie genau das. Dabei wird die eigene Sprache oft eher als Hindernis empfunden, schließlich versteht dann in den meisten Fällen weder die Lehrkraft noch die Mitschülerinnen und Mitschüler, was man sagen möchte.
Diese Sprachenvielfalt, die in den Vorbereitungsklassen (VK) vorherrscht, stiftet aber nicht nur Verwirrung, sondern ist auch spannend. Das zeigten 20 meiner Schülerinnen und Schüler der VK-Klassen des Ricarda-Huch-Gymnasiums in Krefeld in den letzten Wochen mehrmals beim Vorlesen verschiedener Texte auf ihren Familiensprachen.
Zum ersten Mal lasen sie im Rahmen des bundesweiten Vorlesetages in der Mediothek in Krefeld vor. Zu Beginn des Übens fragten die Schülerinnen und Schüler noch verwundert, wen das denn überhaupt interessiere, wenn sie auf Bulgarisch oder Russisch vorlesen. Doch schnell hörten sie selbst gerne dem Märchen „Les musiciens de Brême“ und „I musicanti di Brema“ zu. Und ich konnte beobachten, wie sehr sich die Schülerinnen und Schüler über die Wertschätzung ihrer Sprachen freuten und sich untereinander über ihre Sprachen austauschen konnten. Deutsch blieb dabei die gemeinsame Sprache, über die sie sich austauschen konnten, wo denn die eine oder andere Stelle im Text der anderen zu finden sei und wie sich das wohl anhörte.
Teil des virtuellen Adventskalenders des Ministeriums
Im Dezember wurde bei einer Veranstaltung des Kommunalen Integrationszentrums in Krefeld dann auch Serap Güler, die Staatssekretärin des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) des Landes NRW, auf die Schülerinnen und Schüler aufmerksam. Und so lud sie sie am 21. Dezember ins Ministerium ein, sodass die beiden Klassen Teil des virtuellen Adventskalenders des Ministeriums werden konnten.
Im Ministerium lasen sie erneut ein Märchen vor – die Sterntaler auf insgesamt neun verschiedenen Sprachen. Für einige Sprachen musste das Märchen zunächst noch übersetzt werden. Für die schon länger in Deutschland lebenden Schülerinnen und Schüler war das kein Problem. Teilweise konnten sie den Text sogar während des Vorlesens übersetzen. Eine beeindruckende Leistung (einfach mal beim Lesen des nächsten englischen Textes probieren, den parallel auf Deutsch vorzulesen)! Und diejenigen, die noch am Anfang des Deutschlernens standen, erhielten Unterstützung von ihren Mitschüler*innen, die für sie das Märchen übersetzten. Gegen Ende des Besuchs im Ministerium lasen die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit der Staatssekretärin das Gedicht „Schenken“ von Joachim Ringelnatz.
Selfies und Umarmungen
Der Ausflug ins MFKKI war für die Schülerinnen und Schüler eine tolle Erfahrung und die Herzlichkeit, mit der sie von der Staatssekretärin empfangen wurde, hat sie sehr beeindruckt. Das hat sich am Ende der Veranstaltung an den zahlreichen Selfies und Umarmungen gezeigt.
Insgesamt glaube ich, dass dieses Projekt ein Beispiel von vielen ist, an denen man sehen kann, welches Potenzial in den Vorbereitungsklassen steckt, wenn man die vielen sich zum Teil ergänzenden Fähigkeiten nutzt und wertschätzt.
Autorin: Sandra Zillinger ist Fellow der Klasse 2017 am Ricarda-Huch-Gymnasium in Krefeld.