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Hannes Meier ist Fellow im Sprachlehrer-Programm. Seit Ende Juni unterrichtet er an der Gertrud-Luckner-Gewerbeschule in Freiburg. Sein Schwerpunkt ist die Arbeit mit geflüchteten Jugendlichen. Im Interview erzählt er von seinen ersten Wochen an der Schule und den Erfahrungen in der Sommerakademie, die die Fellows auf ihren Schuleinsatz vorbereitet.

Hannes, du bist ein so genannter Frühstarter und bereits seit Ende Juni als Fellow im Sprachlehrer-Programm im Einsatz. Wie waren die ersten Wochen an deiner Schule?
Die ersten Wochen waren sehr aufregend und gut. Ich bin die ganze Zeit mit einer VABO-Lehrerin [VABO: Vorbereitungsjahr Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse] mitgelaufen. Wir haben uns ihre Klasse dann aufgeteilt. Sie hat die Schüler/innen übernommen, die eine Sprachprüfung auf A2-Niveau gemacht haben, und konnte mit ihnen gezielt Prüfungsvorbereitung machen, während ich mit denen Deutsch gelernt habe, die erst im Mai in die Klasse kamen und die daher noch nicht auf diesem Niveau waren. Da habe ich gleich gemerkt, wie sinnvoll mein Einsatz ist. Das war toll.
Schön war auch, dass ich sehr warm empfangen wurde. Der Schulleiter war anfangs etwas skeptisch, das hat sich jedoch schnell gelegt. Meine Schule hat als eine der ersten vor zwei Jahren VABO-Klassen aufgemacht. Daher ist das Team sehr erfahren, gut vernetzt und organisiert. Alle Lehrer sind sehr hilfsbereit. Dafür bin ich dankbar. Mit den Schüler/innen habe ich schon ziemlich viel von Freiburg kennengelernt. Denn am Ende des Schuljahres gibt es schließlich viele Ausflüge.

Kanntest du Freiburg noch gar nicht?
Doch, etwas. Ich komme aus Lörrach, das ist nur sechzig Kilometer entfernt, aber ich kenne Freiburg eher nur vom Feiern. Jetzt kenne ich außerdem schon eine Burgruine und den Mundenhof, das größte Tiergehege in Baden-Württemberg.

Was würdest du als bisher größte Herausforderung sehen?
Trotz der großen Heterogenität in den Klassen jedem/r Schüler/in einen möglichst guten Unterricht zu bieten. Aber ich bin zuversichtlich, ich wusste ja, auf was ich mich einlasse.

Weil du auf Lehramt studiert hast.
Genau. Daher hatte ich eine Vorstellung davon, wie es abläuft, wenn ich vor Leuten stehe und mit denen gemeinsam lernen will. Trotzdem war das die größte Herausforderung – guten Unterricht zu machen und für mich den richtigen Anspruch zu finden an das was ich leiste, um im Endeffekt die Schüler/innen voranzubringen. Manche Schüler waren unter-, manche überfordert. Damit muss man rechnen, aber die Schwierigkeit ist für mich, zu sagen, ob ich es gut gemacht habe, ob ich größtmöglich allen gerecht wurde. Dafür ein Gefühl zu bekommen, empfinde ich als herausfordernd. Da war es gut, die vier Wochen vor den Sommerferien zu haben. Das war eine Kennenlern- und Ausprobierzeit noch ohne großen Rahmen. Richtig los geht es dann im September.

Was genau werden im neuen Schuljahr deine Aufgaben an der Schule sein?
Ich bin vermutlich ein Sonderfall bei den Sprachlehrer/innen, denn ich werde zu fünfzig Prozent im sprachsensiblen Matheunterricht eingesetzt. Da in dem Bereich ein Lehrer ausgefallen ist, wurde ich bereits im Kennenlerngespräch gefragt, ob ich dafür zu interessieren wäre. Als Physiker bin ich darauf sofort angesprungen.

Wie passt denn der Matheunterricht zu deinem Fokus der Sprachförderung?
Ich werde zum einen drei Stunden Mathe in einer VABO-Klasse geben. Zudem bin ich in einer sogenannten Berufseinstiegsklasse Mathelehrer. An meiner Schule wird nämlich ein neues Konzept ausprobiert. Die VABO-Schüler/innen, die bereits ein Jahr oder etwas länger in der Schule Deutsch lernen und ungefähr auf A2- oder B1-Niveau sind, lernen dort gemeinsam mit deutschen Schüler/innen. Diese haben beispielsweise keine Lehre gefunden und werden darin auf eine Berufstätigkeit vorbereitet. Und in meiner Klasse sind sogar fünfzig Prozent Flüchtlinge und fünfzig Prozent Deutsche. Das finde ich cool, dass an meiner Schule gesagt wird: „Wir wollen das Sprachbad für die Flüchtlinge.“

Sprachbad?
Ja, genau. Es ist ja ein großes Problem, dass die Flüchtlinge in ihren Unterkünften nicht mit Deutschen in Kontakt kommen. Und in der Klasse ist es natürlich viel wahrscheinlicher. Es ist ein Versuch. Ich bin gespannt, wie die deutschen Schüler mit den Flüchtlingen zusammenarbeiten werden. Es ist eine interessante Mischung.

Und inwieweit bist du in der Sprachvermittlung und –förderung eingesetzt?
Meine restlichen neun Stunden neben den Mathestunden verbringe ich in der Alphabetisierungsklasse im VABO-Bereich. Dort gebe ich fünf Stunden Deutsch und vier Stunden lebensweltliche Kompetenz. In diesem Fach will ich auch viel Projektarbeit initiieren.

Welche Ideen hast du dafür?
Ich will Themen aufgreifen wie „Orientierung an der Schule und in der Stadt“ genauso wie Fragen zum alltäglichen Leben: wie man einkauft, was Mülltrennung ist beispielsweise. Und was mir ganz wichtig ist: Die Schüler sollen das Lernen lernen. Denn viele wissen nicht, wie sie sich Wissen nachhaltig aneignen können.

Klingt spannend und vielseitig.
Total. Ich freue mich dabei auch über jede Unterstützung, wie ich es auch schon erfahren habe von einer Kollegin. Und ich will mich noch viel mehr vernetzen. Denn man muss nicht immer das Rad neu erfinden. Am Ende geht es schließlich darum, dass die Schüler/innen einen guten Unterricht bekommen.

Mal weg von der Schule in Richtung Sommerakademie. Wie nimmst du das gemeinsame Lernen mit Frühstartern, Fellows im Leadership-Programm und Fellows im Sprachlehrer/innen-Programm wahr?
Das gefällt mir sehr gut. Ich finde es toll, mit so vielen coolen Leuten an einem Strang zu ziehen. Ich lasse mich schnell und gern von Menschen begeistern und wenn dann viele solche Leute an einem Ort zusammenkommen, ergibt sich etwas richtig Faszinierendes. Alle haben so viel Enthusiasmus. Und inhaltlich verspreche ich mir zum Beispiel viel von dem Leadership-Ansatz. Der ist mir bisher nicht begegnet und hat für mich neue Denkweisen eröffnet. Ich weiß jetzt, dass es an der Schule viele Herausforderungen gibt, mit denen ich konfrontiert werde, für die es nicht die eine Lösung gibt. Und wenn man dieses Denken annimmt, nimmt einem das viel Frust. Man probiert etwas aus und guckt, was sich schrittweise verbessert, ohne sich daran aufzureiben.

Zum Abschluss noch eine grundsätzliche Frage: Was müssen wir tun, wenn wir den geflüchteten Jugendlichen wirklich helfen wollen?
Wir müssen es schaffen, diesen Schülern ein Lernangebot zu machen und gleichzeitig einen sicheren Rahmen und Ort zu schaffen. Es geht ums Willkommenheißen und Wertschätzen und um den Anspruch, ihnen so gut und schnell es geht Deutsch beizubringen.

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INFO // Das Sprachlehrer-Programm ist in diesem Jahr neu bei Teach First Deutschland und gibt es nur in Baden-Württemberg. Hier wurde im Frühjahr die seit 2010 andauernde gute Zusammenarbeit mit dem Land vertieft und um einen Schwerpunkt im Bereich Sprachförderung gestärkt. Ziel des Bildungsministeriums des Landes ist es, die erhebliche Nachfrage an Lehrkräften in diesem Bereich zu decken. Insgesamt schickt Teach First Deutschland daher zum Schuljahresstart im Süden (Baden-Württemberg und Hessen) 24 Fellows im Leadership-Programm und 21 Fellows im Sprachlehrer-Programm in den Einsatz für mehr Bildungsgerechtigkeit.