Wir wollen nicht nur über Schule reden, sondern sie auch erleben. Frei nach diesem Motto besuchte unsere Fundraiserin Wiebke mit zwei Vertreterinnen der Accenture-Stiftung unsere Einsatzschule in Frankfurt-Höchst und berichtet von ihren Eindrücken.
Elf Jugendliche stürmen in den Raum, es wird aufgeregt gesprochen. Das ist wahrscheinlich immer so. Heute aber vielleicht noch ein bisschen mehr. Denn wir werden beobachtet – drei Frauen, die sie noch nie gesehen haben, sitzen nun hinten in ihrem Klassenzimmer. Zusammen mit Eva Buch-Erkens und Hellen Fitsch von der Accenture-Stiftung besuche ich die Hostato-Schule in Frankfurt-Höchst. Auf den ersten Blick ist der Stadtteil beschaulich, nahe des Mains gelegen. Viel Fachwerk auf dem Weg vom S-Bahnhof zur Schule. Und dennoch handelt es sich hier um einen der Stadtteile Frankfurts, der medial als Brennpunkt verschrien ist. Hier ist unsere Fellow Alrun an einer Partnerschule seit Sommer 2016 im Einsatz. Ihr Schwerpunkt: Die Intensivklasse 1, in der die jüngeren Schüler und Schülerinnen insbesondere sprachlich, aber auch fachlich auf den Wechsel in die Regelklassen vorbereitet werden. Sie ist die mittlerweile dritte Fellow, die diese Schule unterstützt.
Elf Jugendliche wundern sich also zunächst über uns, die wir hinten im Klassenraum sitzen. Aber nachdem wir uns kurz vorgestellt haben und der Unterricht beginnt, haben sie uns fast vergessen. Matheunterricht steht an. Multiplizieren und addieren. Textaufgaben werden geübt – so üben die Kinder, die aus Brasilien, dem Kosovo und arabischen Ländern kommen, gleichzeitig die deutsche Sprache. Vokabeln werden neu gelernt und Alrun erkundigt sich regelmäßig, ob die Klasse alles verstanden hat. Jeder kommt einmal dran, jeder wird gehört. Zwischendrin streiten sich zwei Schüler und Alrun schlichtet. Mit Erfolg. Insgesamt arbeiten alle extrem engagiert mit. Sie wissen: Am Ende der Stunde wird entschieden, ob sie sich eine Runde „Ein-Mal-Eins-Fußball“, ein Mathespiel, verdient haben. Heute haben sie das. Jungen treten gegen Mädchen an im 1:1 Duell. Die Pausenklingel unterbricht das Spiel – beim nächsten Mal wird es weitergehen. Ein Mädchen fragt Alrun nach der Stunde fast schon irritiert: „Warum schreien Sie eigentlich nie?“ Das ist der Punkt, an dem ich weiß, was wir an unseren Fellows haben.
In 45 Minuten erleben wir drei Besucher komprimiert, wie sich Alruns Alltag an der Schule gestaltet. Ich maße mir an, eine Idee davon gewonnen zu haben, vor welcher Herausforderung Schulen und damit auch unsere Fellows heute stehen. Wir haben gesehen, was von Lehrkräften aufgrund unterschiedlicher Sprachstände der Schülerinnen und Schüler, aber auch aufgrund unterschiedlicher Lernniveaus und Bildungshistorien verlangt wird. Dennoch gehen wir am Ende mit einem insgesamt guten Gefühl nach Hause. Ist das naiv? Nein, das ist hoffungsvoll. Und zwar berechtigterweise: Wir haben elf Schülerinnen und Schüler gesehen, die wie jedes andere Kind, mal mehr, mal weniger Spaß an Schule haben. Die sich streiten und versöhnen. Die nicht ruhig sitzen können oder still in der Ecke sitzen. Alrun managt das. Und die Konrektorin bestätigt: „Wir wissen, was wir an Alrun haben.“
Autorin: Dr. Wiebke Rasmussen ist Mitarbeiterin bei Teach First Deutschland. Sie kümmert sich von der Berliner Zentrale aus um unsere Partner und Förderer.