Warum eigentlich eine Demokratie-AG an einer Schule anbieten, an der ohnehin Sozialwissenschaften unterrichtet wird? Und was hat das mit Europa zu tun? Ein kleiner Blick in die Wahlstatistik genügt: Bei der Europawahl im Jahr 2019 gingen in Aachen-Rothe Erde lediglich 40% der Wahlberechtigten wählen. Zufall? Wohl kaum, denn soziale und politische Ungleichheit sind seit geraumer Zeit ein untrennbares Paar, nicht nur in Aachen. Für Fellow Jakob Weber Grund genug, eine Demokratie-AG an der Hugo-Junkers Realschule in Aachen-Rothe Erde ins Leben zu rufen, um mit Jugendlichen zu erarbeiten, welche Themen sie von in ihrem Stadtteil bis hin zu den großen globalen Fragen beschäftigt.

 

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Jakob Weber ist als Fellow 2019-2021 im Programm „Echte Teilhabe“ an der Hugo-Junkers Realschule in Aachen-Rothe.

In beiden Jahren meines Felloweinsatzes haben sich die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler dazu entschieden, an dem Schülerwettbewerb zur politischen Bildung der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), teilzunehmen. Dabei galt stets: Die Schülerinnen und Schüler entscheiden selbst, woran wir arbeiten! Im letzten Schuljahr ist die Wahl auf ein außergewöhnliches Thema gefallen: Ein halbes Jahr lang haben wir uns mit dem Grenzkonflikt an der syrisch-türkischen Grenze auseinandergesetzt. Dabei haben wir insbesondere von den Erfahrungen unserer syrischen Mitschülerinnen und Mitschüler profitiert, die teilweise selbst den Weg über diese Grenze auf sich genommen haben. Wir haben die Rolle der USA, Russlands und der kurdischen Kräfte in der Region genauer unter die Lupe genommen und am Ende einen Schuhkarton an die bpb gesendet, der die komplexe Situation in der Region verkörpert.

In diesem Jahr hat sich der Kurs, diesmal mit anderen Schülerinnen und Schülern, für das Thema „Black Lives Matter“ entschieden. Ein Highlight der umfangreichen Recherche-Arbeit war das digitale Treffen mit der Gruppe „We won’t be quiet“ aus Aachen, die sich seit dem Tod von George Floyd gegen Rassismus in unserer Stadt stark macht. Ihre Erfahrungen von Alltagsrassismus haben uns betroffen gemacht, aber gleichzeitig umso mehr motiviert, das Thema weiter zu verfolgen. So haben wir an unserer Schule eine Umfrage durchgeführt, in der wir unsere Mitschülerinnen und Mitschüler zu ihrer Meinung zum Thema Rassismus befragt haben. Herausgekommen ist am Ende eine digitale Wandzeitung.

Wahl
Podiumsdiskussion zur OB-Wahl

Und damit nicht genug: Von Anfang an war klar, dass wir in den direkten Austausch mit Entscheidungsträgerinnen und -trägern gehen möchten: Im Dezember 2019 haben wir die Möglichkeit genutzt, den Aachener Landtagsabgeordneten Karl Schultheis im Düsseldorfer Landtag zu besuchen. Neben einer Führung durch den Landtag stand eine Fragerunde mit Herrn Schultheis und eine simulierte Debatte im Plenarsaal auf dem Programm. Zuletzt haben wir im September vergangenen Jahres eine Podiumsdiskussion mit den fünf Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der OB-Wahl in Aachen organisiert. Neben der coronakonformen Durchführung haben die Schülerinnen und Schüler für mutige und kritische Fragen gesorgt und so einen spannenden Nachmittag mit über 100 Teilnehmenden ermöglicht.

Und wie geht es jetzt weiter? Politische Bildungsarbeit an Schulen bedeutet: Am Ball bleiben und nachhaltig dort Beteiligung schaffen, wo sie sonst fehlt.