Seit gut sieben Wochen ist Fellow Markus Weymann an seiner Einsatzschule in Ludwigsburg. In seinem Einsatz versucht er insbesondere auch, digitale Elemente an die Schule zu bringen. Digitale Bildung ist schließlich auch Thema der aktuell stattfindenden Sondierungsgesprächen– bislang werden Schulen damit aber eher alleingelassen.

Bei der Arbeit in der Schule habe ich oft das Gefühl, in zwei Welten zu leben. Da ist meine gut situierte und behütete Lebenswelt, in der ich mir über große Fragen Gedanken machen kann. Sie steht im großen Gegensatz zum sozialen Umfeld meiner Schüler und Schülerinnen. Dann gibt es auch noch den Unterschied zwischen der digitalen und der analogen Welt. Während sich die digitale Welt „da draußen“ rasend schnell weiterentwickelt, ist es „hier drinnen“ (= in der Schule) noch recht gemütlich analog.

Also auch nicht so urzeitlich. Immerhin gibt es zwei Computerräume, die zwar nicht für eine ganze Klasse ausreichend Plätze bieten und eine kleine Modernisierung vertragen könnten, aber sie funktionieren und sind mit halbwegs aktueller Software ausgestattet. Zudem wurde im letzten Sommer ein WLAN-Netz installiert, was für viele Schulen keine Selbstverständlichkeit sein dürfte. Einige moderne Laptops, ein paar Medienwägen und Beamer (einer für sechs Klassen) runden das digitale Profil ab. Zu meinem Glück werden dies Wägen nicht so oft von meinen Kollegen und Kolleginnen in Anspruch genommen, so dass ich meistens darauf zurückgreifen kann, wenn ich möchte. An Grenzen kämen wir aktuell schnell, wenn in jeder Klasse mit multimedialem Unterricht, Laptop-Stationen, Beamer und Co. gearbeitet würde.

So komplett analog ist meine Schule an sich also gar nicht. Der Unterricht jedoch meistens schon. Nicht, dass der Unterricht nicht ambitioniert und kreativ wäre. Die Möglichkeiten digitaler Technik bleiben dabei jedoch weitgehend ungenutzt. Das liegt zum einen an fehlenden Kompetenzen, zum anderen wohl aber auch daran, dass nicht so weit Verlass auf die technische Ausstattung ist, dass man bei der Planung von digitalen Elementen im Unterricht davon ausgehen kann, dass diese ohne zeitlichen Mehraufwand umgesetzt werden können. Also dann doch lieber im einfachen, sicheren analogen Modus bleiben?

Weitgehend ungeschult im Umgang mit dem PC

Nicht so analog ist dagegen die Lebenswelt der Schüler und Schülerinnen: Smartphones gehören zu den am meisten genutzten Geräten der Jugendlichen, 92 Prozent aller Jugendlichen verwenden sie täglich. In der Schule sind Smartphones aber – mit grundsätzlich verständlicher Begründung – verboten. Dabei sind es so unglaublich nützliche Geräte. Sperren wir diese aus der Schule aus, sperren wir einen Teil der Lebenswelt der Schüler*innen aus und verhindern gleichzeitig, dass diese einen verantwortungs- und sinnvollen Umgang mit den handlichen Alleskönnern lernen. Sie sind nützlich, um kurzfristig an wichtige Informationen zu kommen, Termine übersichtlich an einem Ort zu haben, Wörter nachzuschlagen, Wichtiges zu dokumentieren, und so weiter. Jugendliche kennen das Smartphone in ihrem Alltag dagegen nur als Unterhaltungsmedium und haben durch das konsequente Ausblenden des Gerätes in der Schule auch keine Möglichkeit, einen sinnvolleren und tiefergehenden Umgang damit zu erlernen.

Das Smartphone ist natürlich nur ein Beispiel. In den Abschlussjahrgängen fällt mir auf, dass viele meiner Schützlinge weitgehend ungeschult im Umgang mit PCs sind, teilweise noch nie eine E-Mail geschrieben oder eine Datei angehängt haben und im Ein-Finger-Suchmodus tippen. In ein oder zwei Jahren werden die ersten von ihnen in eine Ausbildung starten. Wie sieht dort die Arbeitsrealität aus? Kompetenz im Umgang mit Medien und digitalen Hilfsmitteln ist dort oft eine Grundvoraussetzung. Im Schulalltag wird dagegen fast ausschließlich handschriftlich gearbeitet. Überhaupt liegt Deutschland bei der Computernutzung im Unterricht auf dem letzten Platz – hinter Russland, Thailand und der Türkei.

Es fehlen strukturelle und finanzielle Voraussetzungen

Verantwortlich für die eher analoge Schulwelt sind wohl kaum die Schulen selbst. Es fehlen schlicht die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen – und das bundesweit. Gefragt sind der Bund, die Länder und die Bildungspolitik, die gemeinsam unsere Schulen auf die Höhe der Zeit bringen sollten. Das kostet allein schon mehrere Milliarden Euro und kommt zu anderen notwendigen Investitionen hinzu. Neben der Ausstattung der Schulen und Anpassungen in Lehrplänen muss dabei auch unbedingt ein Augenmerk auf Schüler und Schülerinnen aus ökonomisch schwachen Familien liegen, die zu Hause teilweise keinen Zugriff auf einen PC haben und so von der digitalen Entwicklung der Lern- und Arbeitswelt erst recht abgehängt werden.

Aber selbst ohne die eigentlich notwendige technische Ausstattung lässt es sich teilweise schon gut digital arbeiten. Ich lasse die Jugendlichen zum Beispiel immer wieder ihre Smartphones nutzen, um an Klassen-Quizzen à la Quizduell teilzunehmen oder um eine anonyme Blitz-Umfrage zu starten. Über den Beamer lässt sich eine Unterrichtsstunde mal alternativ zur Tafel gestalten und an einzelnen Laptops im Klassenzimmer können Schüler*innen Wörter nachschlagen, sich ergänzende Videos zum Stoff ansehen oder Übungen digital machen. Und alleine schon die Möglichkeit, Aufsätze auch in einem Textverarbeitungsprogramm am PC zu schreiben und in digitaler oder gedruckter Form abzugeben, wäre ein Fortschritt.

 

 

 

 

Autor: Markus Weymann hat Soziale Arbeit studiert und ist Fellow der Klasse 2017 an der Hirschbergschule in Ludwigsburg.