Ebenso traditionsreich wie die beiden Ruhrgebietsvereine Borussia Dortmund und Schalke 04 ist auch ihre gelebte Rivalität. Dass diese nicht nur harte Bilder von wütenden Fans und fliegenden Bengalos bedeuten muss, sondern auch einfach Spaß machen kann, bewiesen das BVB-Lernzentrum und „Schalke macht Schule“ bei einer gemeinsamen Aktion.
Mit dem Derby Zivilcourage richteten Borussia Dortmund und Schalke 04 ein Derby der Extraklasse aus. Unter dem Motto „Rivalität ja — Gewalt nein“ trafen zwei Tage vor dem echten Derby ihrer Idole zwei Schulklassen aus Dortmund und Gelsenkirchen zusammen. Die Klasse vom Dortmunder Robert-Schuman-Berufskolleg erreichte mit einem Bus in den Morgenstunden die Veltins-Arena, wo sie bereits von einer Klasse der Gesamtschule Horst aus Gelsenkirchen erwartet wurde.
Bei den SchülerInnen handelte es sich nicht etwa um die Jugendmannschaften der Vereine. Die Schulen, die sie besuchen, liegen in sozial herausfordernden Umfeldern der beiden Bundesliga-Städte. Um zu unterstützen, dass alle Kinder und Jugendliche ihr volles Potenzial entfalten können, hat Teach First Deutschland auch an diese Schulen engagierte HochschulabsolventInnen für einen zweijährigen Vollzeit-Einsatz entsendet.
Ein Derby unter der Leitung von Teach First Deutschland Fellows
Hier lag die Besonderheit des diesjährigen Derbys: Beide Klassen wurden von Teach First Deutschland Fellows begleitet: Der Luft– und Raumfahrttechniker Sebastian Köberle war mit SchülerInnen der Gesamtschule Horst vor Ort, Sozialwissenschaftlerin Katharina Telwa reiste mit ihrer Gruppe aus Dortmund mit einem gelb-schwarzen Schal an.
Seit 2015 unterrichtet Katharina vor allem in Internationalen Förderungsklassen und im Team-Teaching. So hilft sie SchülerInnen, ihre Noten zu verbessern. Auch wenn Katharina erst einmal ruhig wirkt, kann sie ganz schön schlagfertig sein — und das im wahrsten Sinne des Wortes: In einem Projekt mit dem Dortmunder Boxverein betreut sie eine Box-AG, wo die SchülerInnen lernen, sich zu verteidigen.
Sebastian Köberle ist seit zwei Jahren Fellow in Gelsenkirchen. Sein Herz schlägt zwar blau-weiß, allerdings nicht für Schalke 04, sondern für seine Heimat in Bayern. Dennoch setzt er sich mit ganzen Herzen für die SchülerInnen der Gesamtschule Horst ein: Er bringt sein Ingenieurwissen sowohl bei der Nachhilfe in Mathe als auch in seinen AGs ein, wo er gemeinsam mit den Schülern Roboter und Segelflugzeuge baut.
Wie funktioniert so ein Stadion?
Der erste Rivalitätsgedanke wich am Derby-Tag schnell einem kurzen Moment des Erstaunens: Viele der SchülerInnen waren zuvor noch nie in einem so großen Stadion. Wichtige Fragen, wie zum Beispiel warum der Rasen vor jedem Spiel in einer Wanne in die Arena gefahren wird, konnten während einer Stadiontour gestellt werden. Bereits da zeigte sich der besondere Charakter des Derbys: Statt in ihren Klassen zu bleiben, wurden die SchülerInnen in zwei Gruppen bunt gemischt.
Die Gruppe um Katharina Telwa startete auf der LaOla-Tribüne. Die Tickets für diese Ledersitze kosten an einem normalen Spieltag zwischen 200 und 300 Euro und sind oft schon fest für ein Jahr reserviert. Diesmal konnten hier die SchülerInnen Platz nehmen und viele spannende Infos über die Veltings-Arena, Schalke und das Derby erfahren.
Der Hintergrund des Derbys wurde genauer beleuchtet. Schalke galt in den dreißiger Jahren als unangefochtener Fußballspitzenreiter im Ruhrgebiet. Doch den Dortmundern gelang es nach dem Aufstieg in die erste Bundesliga, ihnen diesen Titel streitig zu machen. Durch die geografische Nähe von weniger als 30 Kilometern treffen die Fans im Alltag aufeinander, sodass die Rivalität auch außerhalb des Platzes gelebt wird.
Doch die Stadiontour war nur ein Element dieses besonderen Tages. Nachdem sich die SchülerInnen das Stadion angeschaut hatten, fand ein Zivilcouragetraining am „Schalker Markt“ in der Arena statt. Mit zwei erfahrenden Sozialarbeitern setzten sich die SchülerInnen — immer noch Dortmunder und Gelsenkirchener durchmischt — in zwei Gruppen spielerisch mit Opfer- und Täterrollen auseinander. Es wurde herausgestellt, wie wichtig es ist, selbstbewusst aber ruhig durch Stimme und Körpersprache Position zu beziehen. Die Trainer erklärten den SchülerInnen Techniken, mit denen sie sich auch selbst schützen können, wenn sie für andere eintreten. Ziel des Workshops war es, die SchülerInnen zu motivieren, sich aktiv für eine faire, aber gewaltfreie Rivalität einzusetzen.
Der sportliche Höhepunkt kam dann noch: Das Derby zwischen der Dortmunder und der Gelsenkirchener Klasse. Die Horster Gesamtschule aus Gelsenkirchen siegte am Ende knapp mit 7:6. Eine Schülerin aus Dortmund kommentierte die Begegnung mit den Worten: „Die haben heute gewonnen. Das ist okay. Wir gewinnen am Sonntag.“
Rivalität ja – Gewalt nein
Während eine Hälfte der Schülergruppe in der Trainingshalle neben der Arena kickte, besprühte die andere in einem Graffiti-Workshop ein riesiges Banner. Mit der Aufschrift „Rivalität ja – Gewalt nein“ hing es während des Bundesliga-Derbys am 10. April zwischen Schalke und Dortmund über der Tribüne.
Neben dem „Derby Zivilcourage“ fand an diesem Tag noch ein weiteres Event statt: Das Bildungsprojekt „Schalke macht Schule“ feierte sein fünfjähriges Jubiläum. Ebenso wie das BVB-Lernzentrum widmet sich „Schalke macht Schule“ dem außerschulischen Bildungsangebot am Standort Stadion. Zu diesem Meilenstein übergab der ehemalige Hauptförderer, die Robert Bosch Stiftung, die Hauptförderung an die Bundesliga-Stiftung. Diese wird von der Aktion Mensch als Partner für Integration unterstützt.
Teach First Deutschland unterstützte die Veranstaltung in diesem Jahr erstmalig. Die Faszination des Lernorts Stadion ist aber schon länger bekannt. Durch die junge Kooperation zwischen Teach First Deutschland und dem BVB- Lernzentrum hat Teach First Deutschland auch beim interkulturellen Fest „Ein Ball, eine Welt“ des BVB am 5. Juni 2016 teilgenommen, dieses Jahr mit einer Poetry Slam-Aufführung von SchülerInnen der Fellow Stephanie Linke aus Herne.
Fußball ist nicht einfach nur ein Sport: Er verbindet über Generationen und Nationen hinweg. Vor allem erreichen Fußball-Bildungsprojekte junge Menschen, die vielleicht keine Lust auf klassischen Schulunterricht haben.
Teach First Deutschland freut sich schon darauf zum nächsten Derby die gleiche Kooperation mit dem BVB-Lernzentrum und „Schalke macht Schule“ durchzuführen. So können noch mehr SchülerInnen begeistert werden und lernen, wie eine gesunde und gewaltfreie Rivalität aussehen kann. Und dabei auch Spaß haben.