Der erste Teil der #Sommerakademie2018 ist geschafft! Für unsere neue Fellow Nina eine ihrer „intensivsten Lernerfahrungen überhaupt.“ Sie hat diese 2,5 Wochen voller Aufregung, Begeisterung, Begegnungen, Schlafmangel und Zombie-Zonen in Worte gefasst.
„Manch eine oder einer von euch mag sich vielleicht auch denken ‚Hoffentlich merkt keiner, dass ich gar nicht qualifiziert für das hier bin‘. Aber glaubt mir: Das seid ihr, sonst hätten wir euch nicht ausgesucht.“ Ein fast schon erleichtertes Raunen und verhaltenes Lachen geht durch den Raum, als Ulf Matysiak die anderen neuen Fellows und mich am ersten Abend der Sommerakademie 2018 in einer Ansprache begrüßt. Ja, da haben sich wohl einige leicht ertappt gefühlt – und gleichzeitig war es irgendwie fast wie eine verbale Umarmung, für mich zumindest. Jetzt ging es endlich los! Einige von uns hatten schon seit Monaten ihre Zusage, andere durften erst sehr spontan ihre Sachen packen und sich auf die kommenden zwei Jahre einstellen. Doch jetzt waren wir alle hier: Viele junge Menschen mit einer Altersspanne von über 15 Jahren, aus allen Winkeln Deutschlands und sogar darüber hinaus. So viele verschiedene Lebenswege, Bildungshintergründe, Interessen, Fähigkeiten, Hoffnungen und Ziele in einem kleinen Bistro eines Familienzentrums mitten im Thüringer Wald. Für mich war die Vorfreude und Aufregung fast greifbar – aber auch eine ordentliche Prise Unsicherheit und viele offene Fragen.
Die Sommerakademie ist für mich eine der intensivsten Lernerfahrungen, die ich je machen durfte. Fast jeden Tag war von morgens acht bis in den Abend auf die eine oder andere Art Programm. Wir haben gelernt, wie man Unterricht plant und Ziele setzt, wie man den Lernstand der Schülerinnen und Schüler diagnostiziert und sie motiviert, an sich selbst zu glauben. Seminare in Projektmanagement und Diversity wechselten sich ab mit sprachsensiblem Unterricht und Erlebnispädagogik. Konstant konnten wir praktisch üben, all dies umzusetzen und auch immer wieder erleben, wie sich Unterricht aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler anfühlt. Gleichzeitig waren die ganze Zeit Leadership, Persönlichkeitsentwicklung und Gruppenprozesse Arbeitsthemen, die mich sehr gefordert haben. Aber meine größten Learnings standen nicht auf dem Stundenplan. Die ergaben sich fast schon nebenbei.
Am Anfang steht die Sprache
Als ich das Teach First Deutschland Universum betreten habe, kam ich mir erstmal vor wie auf einem falschen Planeten. „Das Scaffolding-Tool zum Empowern der SuS erklären die ProMs den Fellows dann auf der nächsten FoBi! Wer hätte jetzt Widerstände gegen einen WUP?“ Aha. Was? Ja, auf der Sommerakademie musste ich irgendwie erstmal eine neue Sprache lernen. Es gibt für alles eine Abkürzung und am besten auch einen Anglizismus. Wie gut, dass wir alle fit und fix und international bewandert sind – und es immer ausreichend Kaffee gab!
Die Menschen sind‘s
Und was für Menschen! Fast bis zur letzten Minute habe ich immer wieder neue Personen kennengelernt, mit denen ich bis dahin noch keine Gelegenheit hatte, mal zu quatschen – und jedes einzelne Gespräch hat sich so richtig gelohnt. Alle haben was erlebt, sind gereist, hatten schon spannende Jobs, haben eine Familie gegründet oder bringen außergewöhnliche Talente mit. Alle haben eine Meinung und ein Spezialgebiet und alle vereint das Bedürfnis, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Wie unglaublich cool diese Truppe ist, zeigt sich nicht zuletzt an den ganzen Freizeitaktivitäten, die aus dem Nichts von Fellows organisiert und angeboten wurden: Yoga und Fitness, brasilianischer Tanz, Gitarrenabende am Lagerfeuer, Wanderungen, Karaoke und vieles mehr stand einfach so für alle offen. Was für eine Dynamik!
Raum und Zeit folgen nicht den Naturgesetzen
Am zweiten Tag sagte eine meiner Trainerinnen zu unserer Seminargruppe: „Ihr seid noch viel zu nett und akademisch!“. Dank einer Verschiebung des Raum-Zeit-Kontinuums hatte sich das aber schnell erledigt: Wir waren voll in der Pubertät angekommen. Seminare in klassenraumähnlichen Settings und häufiges „Schülerinnen-und-Schüler-Spielen“ damit andere ihre Fähigkeiten als Lehrkraft erproben konnten, taten ihr Übriges. Gekicher und Papierkügelchen, flache Witze und „Wann ist Pause..?“ waren manchmal schwieriger wieder abzustellen, als man meinen sollte. Irgendwie haben wir es aber doch geschafft – auch wenn uns immer mal wieder das Zeitgefühl abhanden kam und die Grenzen des Schlafmangels getestet wurden.
Irgendwann sind alle gaga
Es muss an Tag 13 oder 14 gewesen sein, als eine meiner Trainerinnen giggelnd zur Morgenrunde kam, von einem Bein aufs andere hüpfte und dann im Aufwärmspiel völlig überenergetisch den Ball weiterwarf. Ja, es war soweit. Irgendwann sind alle gaga. Auch die Trainerinnen und Trainer. „Nach müde kommt doof – und dann noch zwei Stufen weiter“, sagte sie selbst; treffender kann man es wohl nicht formulieren. Am Morgen von Tag 15 fiel einem verschlafenen Fellow, der noch Glitzer vom Vorabend im Gesicht hatte, das fertig gepellte und gesalzene Frühstücksei aus der Hand auf die Terrasse. Der Gesichtsausdruck völliger Verzweiflung war echt. An Tag 16 wurde im Treppenhaus eine „Zombie-Zone“ eingerichtet und mehrere Mitglieder des Orga-Teams feuerten alle Durchkommenden an, den Zombie-Walk zu machen. Ja, wir brauchten wohl alle eine gehörige Mütze Schlaf und ein bisschen Pause für die Synapsen.
Jetzt ist der erste Teil der Sommerakademie geschafft. Im Thüringer Wald ist es wieder ein bisschen ruhiger, aber mein Herz und mein Hirn sind zum Bersten gefüllt mit all den Erfahrungen und Erkenntnissen, Herausforderungen und Lösungswegen, die ich in den letzten 17 Tagen gesammelt habe. Sie fehlen mir jetzt schon, diese ganzen einzigartigen Menschen, charismatischen Trainerinnen und Trainer und neuen Freundinnen und Freunde, die ich so intensiv kennenlernen durfte. Zum Glück sind es nur zehn Tage, bis wir zum zweiten Teil zurückkommen dürfen.
Ich muss an Ulf denken und meine Erleichterung, als er vor knapp drei Wochen meine gesamte Unsicherheit und Zweifel verbalisierte. Er sagte jeder und jedem von uns: „Du bist okay so wie du bist, du bist spitze und du kannst das hier schaffen, das weiß ich.“ Damals konnte ich mir das noch nicht so richtig vorstellen. Heute denke ich leise bei mir, während ich so reflektiere: Vielleicht hatte er ja recht.
Nina Siemer ist Fellow des Jahrgangs 2018 in Hamburg und bereitet sich momentan bei der Sommerakademie auf ihren Einsatz vor.