Manchmal braucht es ein wenig Zeit, bis man als Fellow seinen Platz im Kollegium und in dem neuen System Schule gefunden hat, gerade, wenn es sich um eine neue Einsatzschule handelt. So auch bei Merle, Fellow in Mannheim. Wie sie persönlich diesen Prozess erlebt hat und was dazu geführt hat, dass sie jetzt sagt, sie sei zur richtigen Zeit am richtigen Ort, darauf hat sie in ihren ersten Schulferien zurückgeblickt.
Die ersten Wochen meines zweijährigen Schuleinsatzes sind vorüber. Es sind Herbstferien, die ich dazu nutze, eine Erkältung loszuwerden und Schlaf nachzuholen. Im Nachhinein verging die Zeit sehr schnell, auch wenn einige Tage gefühlt gar nicht zu Ende gehen wollten. Doch wie so oft im Leben ist eine Situation nicht mit einem einzigen Gefühl oder einer einzigen Erfahrungssituation ausreichend beschrieben. Trotz vieler Momente von Unklarheiten, Fragen und Schwierigkeiten, meine Position im Kollegium zu finden, gab es doch so einige Mut machende Momente voller Dankbarkeit.
Erster Eindruck
Das Schuljahr startete mit der Gesamtlehrerkonferenz: Wir sind über 50 Kolleginnen und Kollegen, darunter 10 neue, eine davon ich. Wo soll wohl in dieser Menge von Personen, die alle schon eine Aufgabe haben, mein Platz sein? Die Anzahl der Personen, die am Schulalltag mitwirken, beeindruckte mich schon sehr, auch die vielen Angebote, die es für die Schülerinnen und Schüler an meiner Schule schon gibt. Mein erster Eindruck wurde in den nächsten Wochen bestätigt, denn es gestaltete sich tatsächlich etwas schwierig, meine Position an der Schule, im Kollegium und im Unterricht zu finden. Jeder hat seine Aufgaben, meist mehr als genug. Jeder ist sehr eingespannt und sieht jede zusätzliche Kommunikation als Hürde, die es besser zu umgehen gilt. Ein erstes Learning: Lehrerinnen und Lehrer scheinen noch eher Einzelkämpfer denn Teamplayer zu sein. Eine Lehrerin meinte kurz vor den Ferien zu mir, sie müsse erstmal kapieren, dass ich jetzt da bin und sie auf mich zukommen kann. Nach diesen und anderen ersten Eindrücken wurde mir klar, was ich in Zukunft brauchen würde: Geduld, Durchhaltevermögen, Gelassenheit und eine Portion positive Energie.
Was mir Mut macht
Zwar fühlte ich mich anfangs sehr auf mich alleine gestellt, aber da hatte ich was mit meinen Schülerinnen und Schülern gemeinsam. Trotz der vielen schon bestehenden Unterstützungsangeboten fehlt es im Schulalltag teils an individueller, emotionaler, motivierender und Mut machender Begleitung. Grundlegende Aspekte für die Entwicklung junger Menschen, die sie oft von zu Hause nicht mitbringen. Nähe zu den Schülerinnen und Schülern und eine positive Beziehung zu ihnen erwies sich als Schlüssel, durch den ich an der Schule besser ankommen konnte. Dankbarkeit, die mir auf unterschiedliche Weise begegnete, bestätigte diesen Eindruck.
Dankbarkeit: Einige konkrete Beispiele aus meinem Schulalltag
Gleich zu Beginn des neuen Schuljahres stand für die 9. Klassen die Vorbereitung und Durchführung einer Präsentationsprüfung an. Ich begleitete die Schülerinnen und Schüler bei ihren Recherchearbeiten und bei Fragen rund um Umsetzung und Gestaltung. Die Schülerinnen und Schüler hatten schnell Vertrauen zu mir und kamen auch mit privaten Anliegen auf mich zu. Am Ende der Vorbereitungswoche kam ein Schüler, gab mir die Hand und sagte: „Vielen Dank für Ihre Hilfe, Sie haben mir am meisten geholfen.“ Am Tag der Präsentation war ich entweder als dritte beobachtende Person und neutrale Meinungsgeberin mit im Prüfungsraum oder auf dem Gang, um noch letzte Fragen zu beantworten oder einzelnen Mut zuzusprechen. Eine Schülerin wollte kurz vor ihrer Präsentation schon nach Hause gehen, aus Angst, sie würde es nicht schaffen. Nach einigen Minuten Überzeugungsarbeit und Zuspruch absolvierte sie ihre Prüfung gut. Sie rannte aus dem Prüfungsraum und als ich ihr ein „High Five“ geben wollte umarmte sie mich voller Freude und Stolz, doch nicht gegangen zu sein und eine positive Erfahrung gemacht zu haben.
Auch meine Nachmittags-AGs, in denen ich kreativ mit Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 5-7 arbeite, erinnern mich an die positiven, aber auch herausfordernden Erlebnisse. In meiner Mal-AG stand einmal am Ende der Stunde über die ganze Tafel mit Kreide geschrieben: „Frau Willig ist die Beste. Sie haben das Herz.“ Sei es also bei der Unterstützung im Unterricht, in den AGs oder auch auf der Suche nach Praktikumsplätzen und den anschließenden Praktikumsbesuchen – die positiven Reaktionen der Schülerinnen und Schüler zeigen mir, dass ich am richtigen Ort bin.
Der Zettel auf der Kekspackung „Kleiner Dank für große Hilfe“ lag übrigens an einem Morgen auf meinem Platz im Lehrerzimmer. Er war von einer Klassenlehrerin der 9. Klassen, als Dankeschön, dass ich mit einigen Schülerinnen und Schülern losgezogen war, um für sie Praktikumsplätze zu organisieren. Ein weiterer großer Mutmacher für meinen zweijährigen Schuleinsatz.
Fazit der ersten Wochen
Kein Tag ist wie ein anderer. Jeden Tag gibt es an der Schule neue Situationen, die sich im Vorhinein niemand ausdenken kann. Manche herausfordernd, manche, die mich innerlich zum Lächeln bringen. Andere, die mich traurig machen oder entmutigen. Und dann gibt es wieder die vielen ermutigenden Situationen, die mir zeigen, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin. Dass ich mich so wie ich bin, mit meiner ganzen Persönlichkeit, in das Leben der Schülerinnen und Schüler einbringen kann. Ich habe in dieser kurzen Zeit sehr viel über mich gelernt: neue Erkenntnisse im Umgang mit Herausforderungen, Herangehensweisen oder auch darüber, was mir Freude bereitet. An den komplett neuen Alltag muss ich mich noch gewöhnen.
Ich wünsche mir, dass sich in den nächsten Wochen meine Aufgabenbereiche etwas strukturieren, ich mich mit meinem neuen Alltag etwas mehr identifizieren kann und die positiven Beziehungen zu meinen Schülerinnen und Schülern wachsen und ich so zu ihrem persönlichen und schulischen Lernerfolg beitragen kann. Ich bin überzeugt davon, dass ich dann einen sehr spannenden Alltag haben werde. Daher bin ich gespannt, wie der Entwicklungsprozess meinerseits, aber auch der der Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer weitergeht. Die ersten Wochen haben mich neugierig gemacht, was noch auf mich wartet. Insgesamt empfinde ich die Dankbarkeit, die ich erleben durfte, als etwas sehr Bereicherndes. Ich würde den Zettel auf der Kekspackung gerne umformulieren in: „Große Dankbarkeit für kleine Hilfe.“
Autorin: Merle Willig ist Fellow der Klasse 2017 an der Johannes-Kepler-Gemeinschaftsschule in Mannheim. Sie betreut dort hauptsächlich drei neunte Klassen auf dem Weg zu ihrem Schulabschluss und zum Anschluss in Beruf und Ausbildung.