Fremdsprachen übt man am authentischsten im jeweiligen Kulturkreis. Daher machten sich Fellow Marie-Sophie und ihre Schüler*innen des Vertiefungskurses Englisch für vier Tage auf nach London. Dabei wurde auch die Planung für die Reise, die auf die Initiative der Schüler*innen zurückging, Teil des Unterrichtsgeschehens.

Das Reisebüro

Die gesamte Reiseplanung lag in den Händen der Schülerinnen und Schüler. Dafür gründeten sie kurzerhand ein London-Reisebüro. So wie es das Projektmanagement vorsieht, bildeten wir dann Projektgruppen, entwarfen einen Projektplan und legten verbindliche (manchmal mehr, manchmal weniger…) Termine für die einzelnen Ziele fest.

Die Finanzgruppe stellte dann eine Kostenplanung auf – immer in beiden Währungen – und passte den Finanzplan kontinuierlich in Absprache mit dem Programmteam an. Das Programmteam wiederum legte thematische und geographische Schwerpunkte fest, natürlich nach Abfrage der Interessen der Gruppe. Das Transportteam erkundigte sich nach Flügen und sondierte Preisangebote. Dieses Team war auch für die Buchung der Unterkunft zuständig, was entspannt via E-Mail vonstattenging. Die Sponsorengruppe nahm ein Werbevideo auf, schrieb Sponsorenbriefe und kontaktiere potentielle Förderer. Gemeinsam besprachen alle bei Minikonferenzen ihre Fortschritte. Natürlich kam es zwischendurch auch mal zu kleineren Verstimmungen, wenn ein Team seine Verantwortlichkeit nicht erfüllt hatte. Trotzdem war zwei Wochen vor Abflug alles gebucht, bezahlt und in einer dicken Mappe bereit gelegt: Es konnte losgehen!

Die Eckdaten

Vier März-Tage verbrachten wir in London, wobei Mittwoch und Samstag von An- und Abreise dominiert wurden. Umso mehr waren Donnerstag und Freitag mit diversen Programmpunkten vollgepackt. Mit den 18 Schülerinnen und Schülern, meiner Kollegin und mir waren wir 20 Leute, die von Dortmund nach Stansted flogen und im Hostel auf fünf Räume verteilt wurden. Und da wir tolle Förderer gewinnen konnten, die pro Person 160 Euro übernommen hatten, konnten wir den Eigenanteil für jeden Einzelnen auf 70 Euro reduzieren. Das ist unglaublich toll und hat uns sehr gefreut!

Der Anschlag

Kurz bevor unser Flugzeug britischen Boden berührte, ereignete sich in Westminster der Terroranschlag, bei dem ein Attentäter mit einem Auto in eine Menschenmenge auf der Westminster-Bridge hineinfuhr sowie in die Umzäunung des Parlaments-Geländes. Fünf Menschen wurden dabei getötet und zahlreiche verletzt. Sobald diese grausamen Fakten feststanden, besprachen meine Kollegin und ich diese mit unserer Gruppe, die sehr ruhig reagierte (auch vis-á-vis besorgter Eltern und Lehrer*innen). Unsere viertätige Reise startete also mit einer Extraportion Empathie für die Angehörigen der Opfer, Umsicht auf unseren Wegen durch die Metropole und Dankbarkeit, dieses Erlebnis gemeinsam machen zu dürfen. Bei Medienauftritten bei RTL und der Financial Times versuchten wir als Gruppe diese Haltung immer wieder zu vertreten – auch wenn die Fragen immer wieder darauf abzielten, herauszufinden, wie eingeschüchtert wir von den Erlebnissen waren.

Die Höhepunkte

London bietet unzählige Möglichkeiten, Erkundungs-Ekstasen zu empfinden. Geographische und architektonische Höhepunkte waren für uns das Regierungsviertel (obwohl es in weiten Teilen abgesperrt war), die Tate Gallery of Modern Art, das Globe Theatre, das British Museum, sowie die Camden Markets, Madame Tussaud´s, 221b Baker Street, der Islamic Cultural Center und die Moschee, die Abby Road Studios, die Oxford Street und der traditionelle englische Pub „The Lyric“ im Picadilly Circus. Wie man sieht, haben wir einiges gesehen und weite Strecken zurückgelegt und all diese Must-sees zu besichtigen.

Was jedoch die Spannungskurve unserer Reise immer wieder erhöhte waren die Erlebnisse, die wir in oder um die jeweiligen Sehenswürdigkeiten hatten. Zum einen wohnten wir einem tollen spontanen Konzert von jungen Nachwuchsmusiker*innen im Tate Modern bei. Die Schülerinnen und Schüler waren angesichts der sehr modernen Musik teils verwirrt, teils verwundert über die vielschichtigen Deutungen von Harmonie. Zum anderen besuchten wir eine Vorstellung von Websters White Devil im Globe Theatre, welche die Räumlichkeit im Kerzenlicht und mit Fiddle-Musik authentisch und ergreifend im Geist einer vorindustriellen Zeit zum Leben erweckte. Das Freitagsgebet in der Moschee am Rand des Pimrose Hill Parks ließ diese für mich in ganz anderem Licht erstrahlen, besonders weil ich meine muslimischen Schüler*innen in einem Zustand der Verwundbarkeit erleben durfte, dem aber gleichzeitig auch ein starkes Gefühl von Heimat innewohnte. Und schließlich war die Ankunft im Pub am Freitagabend von einer Herzlichkeit unter Freunden geprägt, denn die Kellnerin umarmte mich beim Ankommen und verkündete, dass sie sich seit unserem letzten Besuch – ich war im vergangenen Jahr mit meinem damaligen Englischkurs ebenfalls dort gewesen – verlobt hatte und nach München ziehen würde.

Die Sprach-Herausforderung

Am Freitagmorgen gab es dann für die Schülerinnen und Schüler eine Aufgabe, um ihre Englisch-Kompetenzen zu stärken. Die Anweisungen bei Ankunft im British Museum waren nur: Hier ist ein Leitfaden für ein Interview. Finde mit Deiner Gruppe eine Person, die ein Buch in der Hand hält. Befrage sie (auf Englisch J) zu den verschiedenen Themen. Kehre mit Deiner Gruppe um 11 Uhr zu einer Reflexionsrunde zurück ins Café am Reading Room. Stelle dann die Person der Gruppe in einigen Minuten vor (auch auf Englisch J J).

Meine Schwester Marie-Theres studiert in London Psychologie. Mit ihr hatte ich im Vorfeld ausgeheckt, dass sie samt sechs ihrer ausgesprochen netten und kompetenten Freund*innen ins Museum kommen würde. Soweit der Plan. Aber weder ihre noch meine Truppe wussten ganz genau, worauf sie sich eingelassen hatten.

Als ich dann die einzelnen Gruppen während der Interviews fotografierte, wurde mir bewusst, wie ernst beide Seiten die Aufgabe nahmen. Die Unterhaltungen waren stringent, ehrlich und offen, weitaus tiefergehend als ich mir hätte erträumen können. In der von Kinderschokolade gesäumten Reflexionsrunde wurde schnell spürbar, dass wirkliche Begegnungen stattgefunden hatten und alle bereichert aus dem Morgen herausgingen.

Die Tiefpunkte

Tatsächlich hatten wir auf der Reise auch mit zwei Tiefpunkten zu kämpfen. Der erste ereignete sich direkt am Anfang unserer Reise bei der Passkontrolle. Diese sollte eigentlich auch für die türkischen Staatsangehörigen unter uns kein Problem sein. Denn im Vorfeld hatte ich alle nötigen Vorkehrungen getroffen, um mit einer Reisegruppe einer allgemeinbildenden deutschen Schule mit einer sogenannten Reiseliste einreisen zu dürfen. Die Fluggesellschaft sah das jedoch anders. Beim Einchecken hielt uns eine Mitarbeiterin der Airline fest, in der festen Überzeugung, dass wir ohne Visum vom Konsulat nicht einreisen dürften. Sie irrte, sah dies über einen viel zu langen Zeitraum und bis kurz vor dem Abflug jedoch nicht ein, was in unserer Gruppe die Angst und das Ungerechtigkeitsempfinden extrem schürte. Unter Tränen versuchten die Schülerinnen und Schüler, meine Kollegin und mich in den Verhandlungen mit ihr zu unterstützen, was die Situation aber leider noch verschärfte. Mein Anruf beim türkischen Konsulat in Düsseldorf und ihr Telefonat mit ihren Einwanderungs-Vorgesetzten regelten dann kurz vor knapp die Situation – zu unseren Gunsten. Aber leider ohne ein Wort der Entschuldigung ihrerseits. In diesem Moment verwischten die Grenzen zwischen Unwissenheit, Unprofessionalität und Diskriminierung doch ein gutes Stück weit.

Der zweite Tiefpunkt war einer, der mich persönlich sehr (peinlich) berührte. Seit Jahren interessiere ich mich und setze mich für den interreligiösen Dialog ein. Wie gelegen kommt dann der Moment, in dem ich die christliche Tradition gerne mit anderen Menschen teilen würde – und St. Paul´s Cathedral unfassbare 18 britische Pfund für einen Besuch erhebt, pro Person wohlgemerkt! Beim Rückwärtswiederrausgehen war ich zutiefst erbost und fühlte mich bloßgestellt. Diese Kirche hat keine Renovierungsmaßnahmen in diesem Ausmaß nötig. Nichts rechtfertigt jedwede Gebühren für den einfachen Eintritt in einen heiligen Raum. Einladungen, wenn man will, dass sie wahrgenommen werden, sehen anders aus.

Der Dank

Im Rückblick auf diese Reise ist es mir ein Bedürfnis, auch meinen Dank auszusprechen. Dieser gilt allen, die unsere Reisegruppe mit Briefen, Paketen, Finanzen und Besuchertipps unterstützt haben. Mein Schulleiter steht hinter mir und ermutigte uns in Zeiten des Terrors mit: „Cool bleiben!“. Meine Kollegin nahm Schlafentzug, Muskelkater und Vertretungsaufwand entgegen, nur um uns bereits zum zweiten Mal tatkräftig bei allen Abenteuern zu unterstützen. Meine weiteren Kollegen und Kolleginnen halten mir stets den Rücken frei und die NRW-Fellows sind immer zur Stelle, egal worum es geht. Und, zu guter Letzt: die Förderinnen und Förderer haben Unmögliches möglich gemacht. Ich bin froh und glücklich, diese Erfahrung mit meinen Schülern und Schülerinnen und meiner Kollegin machen zu dürfen!

 

Autorin: Marie-Sophie Guntram ist Fellow der Klasse 2015 an der Heinrich-Heine-Gesamtschule in Duisburg.