5_lb  1_lb  2_lb

Vanessa, Fellow der Klasse 2016 an der Berliner Schule am Schillerpark, engagiert sich aktiv für Kinderrechte – und rief mit ihrer Klasse gleich eine ganze Woche der Kinderrechte ins Leben. Eines der vielen Ergebnisse der verschiedenen Aktionen: Eine persönliche Einladung in den Bundestag.

„Frau Masing, ich sage doch nichts, hier sind viel zu viele Menschen!“, „Worüber sollen wir denn mit ihm sprechen?“, „Kennt er die Kinderrechte überhaupt?“, „Glauben Sie, dass er uns wirklich einen roten Handabdruck geben wird?“ Den Schülerinnen und Schülern der Klasse 9d der Schule am Schillerpark in Berlin-Wedding stand die Aufregung vor dem Besuch des Bundestagsabgeordneten ins Gesicht geschrieben.

Sie waren dem bundesweiten Aufruf von Unicef und der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung gefolgt, zum Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November eine Kinderrechte-Aktion zu gestalten. Und realisierten nicht nur eine.

Erste Woche der Kinderrechte

Zunächst nahmen sie an einem Workshop von Unicef teil und setzten sich zum ersten Mal mit den Rechten von Kindern auseinander. Anschließend werteten sie eine Online-Umfrage zu Kinderrechten aus, bei der 81 ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen, von der Willkommensklasse bis zur 9. Klasse, zu verschiedenen Fragen Stellung nahmen: Welche Kinderrechte kennt ihr? Wie stark dürft ihr in eurer Familie, im Sportverein, in der Schule, in eurem Kiez und in Deutschland insgesamt mitbestimmen? Wo solltet ihr eurer Meinung nach mehr mitbestimmen dürfen? Was kann man eurer Meinung nach gegen Kinderarmut in Deutschland tun? Wie sieht es mit dem Respekt an eurer Schule aus? Fühlt ihr euch wohl? Traut ihr euch zu, einen guten Schulabschluss zu machen? („Frau Masing, 80 Prozent trauen sich an unserer Schule zu, einen guten Schulabschluss zu schaffen!“)

Die Ergebnisse haben die Jugendlichen auf bunten Plakaten visualisiert und mit ihnen einen farbenfrohen Kinderrechte-Stand gestaltet. In der Woche ab dem 20. November standen sie dann ihren Mitschülern und Mitschülerinnen täglich in der großen Pause als Kinderrechts-Expert*innen Rede und Antwort. Die erste Woche der Kinderrechte war geboren.

Gesprächsrunde mit Özcan Mutlu

Der Höhepunkt der Woche war dann die von den Jugendlichen selbstständig vorbereitete und durchgeführte Gesprächsrunde mit Özcan Mutlu, Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Sport- und Bildungspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Wenig Zeit für die Vorbereitung, noch dazu händeringend vom Fachunterricht abgezweigt und große Aufregung, auch bei der Klassenlehrerin und dem Klassenlehrer. Vor allem aber Vertrauen ins Gelingen. Und tatsächlich: Vom Ice-Breaker bis zur Übergabe der Blumen moderierten die Schüler und Schülerinnen die Stunde eigenständig und souverän. Sie stellten ihrer Klassenleitung, dem Schulleiter und Herrn Mutlu die Ergebnisse der Umfrage und ihre eigenen Recherchen zum Thema Bildungsgerechtigkeit vor. Ein zentraler Punkt der Diskussion: „Herr Mutlu, an Berliner Gymnasien schaffen 95 Prozent der Schüler*innen den mittleren Schulabschluss, an allen Berliner Schulen zusammen 75 Prozent, an allen integrativen Sekundarschulen 65 Prozent; an unserer Schule jedoch nur 46 Prozent. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Was können wir alle gemeinsam dafür tun, damit sich das ändert? Und inwieweit kann die Auseinandersetzung mit den UN-Kinderrechten dazu beitragen?“

Mutlu erzählte von seinem eigenen Werdegang – von der Hauptschule, in der er trotz Gymnasialempfehlung landete, da seine Eltern nicht so gut Deutsch sprachen, in den Bundestag. Er hielt ein flammendes Plädoyer für mehr Bildungsgerechtigkeit, aber auch für Verantwortungsübernahme durch die Schüler und Schülerinnen selbst: „Ich habe es von der Hauptschule in den Bundestag geschafft. Das könnt ihr auch!“

Persönliche Einladung in den Bundestag

Über die geplante nächste Kinderrechte-Aktion der Schule, die im Rahmen des Red-Hand-Days im Februar, der auf den Missbrauch von Kindern als Soldaten aufmerksam machen will, stattfinden soll, mussten die Jugendlichen dem Politiker nichts mehr erzählen: Die kenne er schon, und, ja, klar mache er mit! Er ließ sich seine Hand mit roter Fingerfarbe bemalen und setzt seinen Abdruck samt Unterschrift auf ein vorbereitetes Plakat. Und nicht nur das: Er lud die gesamte Klasse ein, die von ihnen bis Februar gesammelten roten Handabdrücke persönlich bei ihm im Bundestag abzugeben – mit Führung und allem Drum und Dran.

Ein Politiker, der den Schülerinnen und Schülern der Klasse 9d mit einer großen Selbstverständlichkeit auf Augenhöhe begegnet ist, sie ernstgenommen und in hohem Maße inspiriert und motiviert hat – wir danken Herrn Mutlu ganz herzlich dafür und freuen uns auf viele weitere Aktionen mit ihm – zunächst einmal gemeinsam gegen den Einsatz von Kindersoldaten sowie für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz.

Autorin: Vanessa Masing ist Fellow der Klasse 2016 an der Schule Am Schillerpark in Berlin.