Ein Beitrag zur Quereinsteigerdebatte von unserem Geschäftsführer Ulf Matysiak

Quereinsteiger werden in den Schulen vieler Bundesländer gebraucht – doch wie wählt man sie aus und wie begleitet man sie am besten auf ihrem Weg in den Lehrerberuf? Teach First Deutschland hat mit seinem Programm wichtige Erfahrungen gesammelt, aus denen bundesweit Lehren für den Quereinstieg gezogen werden können.

Gute Auswahlkriterien senken die Abbrecherquote  

Es liegt auf der Hand, dass das Programm von Teach First Deutschland zahlreiche Parallelen zu den Quereinstiegsprogrammen vieler Bundesländer aufweist. (…) Ebenso wie in den Quereinstiegsprogrammen der Bundesländer müssen auch die Programmteilnehmenden (im Folgenden „Fellows“) von Teach First Deutschland parallel zu ihrem Einsatz an einer Schule eine begleitende Qualifizierung durchlaufen. Auch wenn hierbei die fachdidaktischen Inhalte weit hinter dem zurückbleiben dürften, was aufseiten der Bundesländer vermittelt wird, ist die Qualifizierung in allgemeindidaktischer Hinsicht mit dem Lehramt vergleichbar. (…) Ein abgeschlossenes Hochschulstudium ist ebenfalls eine gemeinsame Grundvoraussetzung. Doch hier enden bereits die Gemeinsamkeiten der Auswahlverfahren.  

(…)Ein Blick auf die Auswahl- und Vorbereitungsprogramme zeigt strukturelle Differenzen zwischen dem Vorgehen der Bundesländer und den Programmen von Teach First Deutschland auf: So steht die persönliche Eignung für die Arbeit an einer sogenannten Brennpunktschule im Zentrum der Auswahl von Teach First Deutschland. In einem aufwändigen, mehrstufigen Verfahren soll sichergestellt werden, dass nur Personen in das Programm aufgenommen werden, die für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in sozialen Problemlagen die persönliche Eignung mitbringen. Sie sollen sich insbesondere als Teamplayer kollegial in Schulen einfügen und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit das zweijährige Programm in Vollzeit zu Ende bringen, um ihre Schülerinnen und Schüler bei einem Übergang zu begleiten. (…)  

Statt Unterrichtsfach stehen Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt

Darüber hinaus sollten sie eine Reihe von Kompetenzen und Persönlichkeitsmerkmalen mitbringen, die für die Arbeit im Unterricht und den Beziehungsaufbau zu Schülerinnen und Schülern maßgeblich sind. Dazu gehören insbesondere Kommunikationskompetenzen, Empathievermögen, Reflexionsvermögen und Kritikfähigkeit. Um Fellows, aber insbesondere auch die Schülerinnen und Schüler vor Programm-Abbrüchen zu schützen, werden ebenso Merkmale wie Resilienz/Belastbarkeit und Selbstmanagement überprüft. Das Auswahlverfahren von Teach First Deutschland wurde über mehrere Jahre erarbeitet, überprüft und optimiert. (…) Die Tatsache, dass weniger als 5 Prozent der Fellows eines Jahrgangs das Programm vorzeitig abbrechen und die konstant sehr guten Feedbackwerte aus den Schulleitungen zeigen, dass sich die von Teach First Deutschland angelegten Kriterien als wirksam erweisen. 

Das Kriterium, welches für die Auswahl der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger bei den Bundesländern von zentraler Bedeutung ist, spielt aufseiten von Teach First Deutschland nur eine untergeordnete Rolle: Welches Fach die Bewerberinnen und Bewerber studiert haben, macht für ihren Einsatz als Fellow keinen Unterschied. (…) 

Für das Gelingen von Teach First Deutschland sind eine Reihe von Faktoren entscheidend. Es stellt sich die Frage, welche dieser Faktoren auch Relevanz für Quereinstiegsprogramme der Länder haben könnten. (…) Die starke Fokussierung auf persönliche Eignung und eben nicht auf Studienfächer hat sich in allen relevanten Hinsichten bewährt. Die Trainings von Teach First Deutschland sind bewusst auf den Arbeitsplatz ausgelegt. Es ist eine Vielzahl von Qualitäten gefragt, um in einer Schule schnell anzukommen, ins Kollegium integriert zu werden, Schülerinnen und Schülern auch außerhalb des Klassenzimmers begegnen zu können. Ein umfassenderes Bild von der Stelle zu zeichnen und bewusst mit anderen Berufsbildern an den Schulen zu brechen, hat sich hierfür als tauglich erwiesen. Als enorm wichtig wird von den Schulleitungen immer wieder auch der Fokus auf die Schülerinnen und Schüler, nicht die Unterrichtsfächer, zurückgemeldet. (…) 

Mehr Diversität an Schulen – auch im Lehrerzimmer

(…) Der momentane Mangel an Lehrkräften und Interessierten an Quereinstiegsprogrammen sollte aber Anlass geben, nach weiteren Wegen zu suchen, Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen. (…) Gleichzeitig sollten Wege gefunden werden, die Eignung für die Tätigkeit als Lehrkraft auch über einen Studienabschlusses hinaus zu erfassen und zu überprüfen. Insgesamt kann man die Hypothese aufstellen, dass Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, um gut und schnell anzukommen, nicht weniger Ausbildung brauchen, sondern eine andere. Jenseits der fachdidaktischen Ausbildung sind es sozialpädagogische Inhalte, Reflexionsvermögen in Themenfeldern wie pädagogische Haltung oder Leadership, interkulturelle Kompetenzen, die es heute braucht, um an Schulen einen Mehrwert zu leisten. (…) Dass im Rahmen des Quereinstiegs sukzessive die fachdidaktischen Kompetenzen erworben werden sollten, um hochwertigen Unterricht erteilen zu können, ist unstrittig. Dennoch sollte ein Quereinstieg auch bedeuten, dass die Schule mehr gewinnt, als nur eine Lehrkraft ohne Lehramtsstudium. Sie erhält Fachkompetenzen, die diese neue Lehrkraft jenseits des Curriculums mitbringt und mithin ein Mitglied im Kollegium, das auch eine andere Perspektive auf Schule hat. Es scheint wenig logisch, warum man in Schule Diversität und Heterogenität in den Klassen als Mehrwert begreift, den gleichen Blick auf das Lehrerzimmer aber nicht anwendet.  

 

Abschließend sei noch gesagt, dass die Trends, die Teach First Deutschland auf dem Bewerbermarkt ausmacht, auch Anlass zur Hoffnung bieten. Die Schule und der Lehrerberuf haben auf vielen Feldern so viel mehr zu bieten, als derzeit in der Debatte um Anerkennung von Studienleistung und Deputatsstunden Raum bekommt: Kaum ein anderer Beruf kann so sinnstiftend sein, hat eine so hohe gesamtgesellschaftliche Relevanz und bietet ähnliche Herausforderungen – zweifellos ist die Lehrertätigkeit sehr anstrengend, aber sie kann auch sehr erfüllend sein. All dies sind Attribute, die für die kommende Generation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rasant an Bedeutung gewinnen. 

 

Dieser Text ist ein gekürzter Beitrag. Der vollständige Beitrag ist in der Fachzeitschrift „Schulverwaltung spezial 4-19 Quereinsteiger“ erschienen.