Digital Natives sind nicht automatisch fit für die digitale Welt. Digifellow Lisa Leurs nimmt uns mit ins Klassenzimmer nach Mülheim. Recherche und Hintergrundwissen zu verschiedenen Social-Media-Plattformen und angesagten Apps erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler in der AG von Lisa. Im gemeinsam mit der RAG-Stiftung initiierten Pilotprojekt „Bildungsgerechtigkeit im digitalen Zeitalter“ startet Lisa in ihr zweites Einsatzjahr als Digifellow.
Zu Beginn meines Einsatzes in Mülheim war ich der Meinung, dass meine Schülerinnen und Schüler Digital Natives sind: Sie wissen zwar vielleicht nicht alles über die digitale Welt, können sich aber schnell eindenken und haben ein Grundverständnis der Funktionsweisen.
Schnell bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass es gar keine Digital Natives gibt. Hardware als Mittel zum Konsum zu verwenden, ist kein Zeichen dafür, in einer anderen Welt Zuhause zu sein als die Vorgängergeneration. Das Wissen der Schülerinnen und Schülern ist meist informell: Jede und jeder weiß, wie ein iphone eingeschaltet wird und die Nutzung vieler Apps geschieht intuitiv. Geht es aber daran, ein sicheres Passwort zu erstellen, eine Tastatur oder Maus zu benutzen oder den Unterschied zwischen Google und Paint zu nennen, wird es bereits schwierig.
In meiner AG beschäftigen wir uns mit verschiedenen Social-Media-Plattformen und beleuchten diese anhand von drei immer gleichen Fragen:
Welche sind die wichtigsten Funktionen?
Gibt es Risiken?
Wer steckt dahinter?
„Zu Beginn meines Einsatzes in Mülheim war ich der Meinung, dass alle meine Schülerinnen und Schüler Digital Natives sind.„

Während die erste Frage meistens aus dem Stegreif beantwortet werden kann, fehlt für die anderen beiden Fragen das nötige Hintergrundwissen. Die nachfolgende Recherche gestaltet sich nicht selten herausfordernd für die Schülerinnen und Schüler. Denn sie haben Schwierigkeiten, die richtigen Suchbegriffe bei Google einzugeben. Google wird oft wie eine Person angesprochen und die Anfrage mit Bindewörtern gefüllt. Außerdem müssen die Jugendlichen die schier endlose Masse an Ergebnissen filtern. Zitat: „Das was ganz oben steht ist doch eh das Beste, oder?“
Ernüchternd ist vor allem, dass immer wieder von vorne und mit den Basics begonnen werden muss. Wenn ich denke, ich könne nun zu der Einheit übergehen, in der Videos in PowerPoint eingefügt werden, muss ich feststellen, dass die Hälfte des Kurses bereits wieder an der Anmeldung am Computer scheitert. Name falsch geschrieben, Passwort falsch geschrieben oder vergessen, Tasten auf der Tastatur vertauscht, Computer kaputt…
Trotzdem kommen die digitalen Methoden bei den Schülerinnen und Schüler gut an. Durch den Einsatz von Quiz, Erklärvideos, Evaluierungstools und regelmäßigen Rechercheaufgaben kommt Abwechslung in den Schulalltag. Vor allem können Schülerinnen und Schüler erreicht werden, die im klassischen Unterricht eher unauffälliger sind, sich aber von den neuen Methoden besser abgeholt fühlen oder dort ihre Stärken sehen.

Wie funktionieren die angesagten Lieblingsapps und was genau sind Algorithmen?
Paradigmen wechseln also nicht einfach so von selbst und die Schaffung neuer Medienkompetenz geschieht nicht durch den Geburtsjahrgang, sondern durch Lernprozesse.
Dennoch merke ich, dass sich die Arbeit lohnt. Zwar kann nicht jede und jeder zu einer Digitalexpertin oder einem Digitalexperten werden – aber immerhin schaffen wir es, dass durch die dauerhafte Thematisierung medienrelevanter Themen in verschiedenen Fächern zumindest das Bewusstsein für eine reflektierte Mediennutzung geschaffen wird. So haben die Schülerinnen und Schüler enorm viel dazu gelernt, wenn es um Fake News geht, um Algorithmen, um Respekt im Netz, Cybermobbing sowie Rechte und Pflichten.
Ich hoffe sehr, im zweiten Jahr mit noch mehr Schülerinnen und Schülern Fortschritte machen zu können, damit sie ihren intuitiven Umgang mit Technik auch aktiv und reflektiert für sich als mündige Bürgerinnen und Bürger produktiv nutzen können.
Lisa Leurs
