Mit einfachsten Mitteln kann ein Klassenzimmer zur Bühne werden. Das zeigte der erste Poetry Slam an der Heinrich-Heine-Gesamtschule in Duisburg.

Die Tische sind an die Wände geschoben und die Stühle laden in der Mitte das Publikum zum Sitzen ein. Die Bühne ist durch einen kleinen Klebestreifen auf dem Boden vor der Wand markiert; sie erstrahlt zudem im Scheinwerferlicht des Overhead-Projektors. Im Hintergrund hängt ein Poster. Darauf sind die Poetry Slam Rules, also die Regeln der Vortragskunst, zu sehen: Hier werden alle Poet*innen wertgeschätzt, es werden nur Originaltexte vorgetragen und die sechs Minuten pro Slam werden eingehalten.

Trotz einfachster Mittel ist eine spannungsgefüllte Kulisse entstanden. Perfekte Voraussetzungen für die Poet*innen des heutigen Tages, die Schülerinnen und Schüler des Darstellen und Gestalten (DuG) Kurses des 8. Jahrgangs der Heinrich-Heine-Gesamtschule (HHG) in Duisburg. Die eingeschworene Gruppe hat hart gearbeitet, um endlich die Bühne mit ihren Poetry Slam Performances zu erobern.

Eine Vielfalt persönlicher Texte

Drei Wochen lang haben sie Texte geschrieben, verworfen, neu geschrieben, umformuliert — und schließlich auswendig gelernt. Es entstanden Texte, die vom Verlassenwerden handelten, vom aufregenden ersten Date, von der Scheidung der Eltern, von Hoffnungsschimmern in düsteren Weltgeschehnissen.

DuG bedeutet nicht nur, die Theorie und den Fachjargon des Schauspiels zu kennen — schließlich schwimmt man auch nicht im Trockenen. Aber die eigentliche Schauspielarbeit erfordert viel Vorbereitung, genau wie kein Nichtschwimmer sich einfach so ins tiefe Wasser trauen würde. Und so hatten wir die Antizipationsphase mit stilistischen Mitteln, Spannungsbogen einer Geschichte und Refrains verbracht. Bis der Performance-Workshop mit echten Profis dann vor der Tür stand.

Die Expertinnen auf dem künstlerischen Gebiet des Poetry Slams heißen Lena Schröder und Iltaf Eltom. Lena ist genauso wie ich Teach First Fellow und Iltaf eine ehemalige Schülerin der HHG. Beide haben reichlich Slam-Erfahrung und hatten für die Schülergruppe einen richtigen Performance-Workshop konzipiert. In drei intensiven Stunden zeigten sie den Schülern Sprechstrategien, mit denen sie ihre Performance auf die nächste Ebene heben konnten. Dazu zählten beispielsweise mehr Augenkontakt mit dem Publikum aufzunehmen, gezielte Pausen im Vortrag einzubauen oder die Stimmfarbe stärker zu variieren.  In Kleingruppen konnten die angehenden Poetry Slammer sich ausprobieren und Feedback in ihre Performance einbauen. Diese Arbeitsphase war hitzig, energiegeladen und für alle Beteiligten äußert spannend.

Slam-Premiere an der HHG

Natürlich hätte der Poetry Slam Workshop die Welt der Black Box nicht authentisch nachgestellt, hätte es am Schluss keine „Battle“, keinen Wettkampf der Poet*innen, gegeben. Für die HHG war es eine Prämiere — der erste Poetry Slam fand unter reger Beteiligung und musikalischer Begleitung von einem Schüler-DJ statt.

Manche Slammer waren bis kurz vor Auftritt zittrig und aufgeregt, denn solch eine Herausforderung hatten sie bisher noch nicht gehabt. Sobald sie aber ins Scheinwerferlicht traten, trugen sie ihre Texte mit beeindruckender Souveränität und Sprachgewandtheit vor. Das Publikum war ermutigend und honorierend, und die hervorragenden Performances hatten jeden Applaus verdient. Sogar Schulleiter Günter Derksen—Naturwissenschaftler von Haus aus — saß mit erhobenen Augenbrauen im Publikum: „Also ich könnte mich nicht für einen Gewinner entscheiden!“

So ging es auch den Schülern, welche in geheimer Wahl für einen Gewinner abstimmen sollten: Sieben Poeten hatten die gleiche Anzahl an Gewinnerstimmen, drei weitere wurden Zweitplatzierte. Der letzte tosende Applaus und der Preis, die Riesenschokolade gingen schließlich an alle, wohl verdient!

Gefragt nach ihrem Feedback äußerten die Teilnehmer*innen des Workshops ehrliche Begeisterung für die neu erlernte Kunst des Poetry Slams. Auch wenn poetische Sprache vielleicht nicht jedermanns neues Hobby ist, würden alle ein solches Workshop-Angebot wieder wahrnehmen. Und nützlich ist das freie Sprechen vor Publikum allemal. Auch für ein Bewerbungsgespräch – was schließlich ebenfalls eine Präsentation vor Publikum ist – kann man nie früh genug anfangen zu üben.

 

Autorin: Marie-Sophie Guntram ist Fellow der Klasse 2015 an der Heinrich-Heine-Gesamtschule in Duisburg.