Als Fellow unterrichtet Lisa vor allem in Kleingruppen oder im Teamteaching mit Kolleg*innen. Sie erklärt uns, was das eigentlich ist und warum solche Unterrichtsformate den Lernerfolg der Schüler*innen erhöhen.

Dienstagvormittag, 9.40 Uhr. 30 Schüler*innen der 5. Klasse laufen durch den Klassenraum, organisieren ihr Lernmaterial, sprechen mit Mitschüler*innen, spielen fangen, manche sitzen bereits auf ihren Plätzen, vereinzelt sieht man eine hochgehaltene Hand, der Zeigefinger der anderen Hand auf den Lippen. Während ich vorne stehe, das Geschehen beobachte und mit einzelnen Schüler*innen noch ein paar Worte wechsle, wird es plötzlich ruhig. Meine Kollegin Anna steht an der Seite der Tafel und schreibt nach und nach die Namen derjenigen an, die bereits mit ihrem Lernmaterial an ihren Plätzen sitzen, ruhig sind und das „Leisezeichen“ machen. Nachdem beinahe alle Schüler*innen ihren Namen an der Tafel lesen können, folgt der „Material-Check“. Dann kann der Unterricht starten. Während Anna in das Thema der Stunde einleitet, bewege ich mich ans andere Ende des Klassenraums, sodass wir die gesamte Klasse im Blick haben.

Positive Lernatmosphäre durch Teamteaching

„Unsere“ 5. Klasse kann sicherlich als herausfordernde Lerngruppe bezeichnet werden. Viele der Kinder haben Schwierigkeiten damit zuzuhören, dem Unterricht zu folgen und sind sehr leicht abgelenkt. Einige haben eine geringe Frustrationstoleranz und werden aggressiv, wenn sie sich langweilen oder gestört fühlen. Der Lärmpegel ist oft hoch, das Einhalten von Regeln wie nur nach Aufforderung zu sprechen und die anderen ausreden zu lassen fällt vielen schwer.

Seit einem halben Jahr sind wir nun zwei Lehrkräfte in den Englischstunden. Wir haben viele Stunden damit verbracht, uns zu überlegen, wie wir die tatsächliche Lernzeit der Schüler*innen im Unterricht erhöhen, das Einhalten von Regeln fördern und eine angenehme Arbeitsatmosphäre schaffen können. Durch den gemeinsamen Austausch, das Experimentieren mit verschiedenen Methoden und das Einführen von Ritualen, wie dem Tafelanschrieb und dem Material-Check, laufen die Englischstunden mittlerweile deutlich besser ab. Meine Kollegin übernimmt hierbei die fachliche Gestaltung des Unterrichts, während ich meinen Fokus auf die pädagogische Begleitung der Schüler*innen lege und beispielsweise verstärkt dafür sorge, dass die Schüler*innen dem Unterricht aufmerksam folgen und mitarbeiten. Deutlich verbessert hat sich auch der persönliche Stresspegel meiner Kollegin und mir. Durch die gemeinsame Gestaltung der Unterrichtsstunden, gegenseitiges Feedback und kontinuierlichen Austausch über das Lernverhalten der Schüler*innen sind wir in der Lage, uns gegenseitig zu unterstützen und auch mit herausfordernden Situationen positiv umzugehen.

Szenenwechsel: Dienstag, 11.00 Uhr. In einem kleinen Differenzierungsraum arbeiten sieben Schüler*innen der 10. Klasse konzentriert an ihren Matheaufgaben. Unter ihnen ist Samuel*, der ADHS hat und sich vor einem Jahr noch sehr schwer damit tat, leise und fokussiert zu arbeiten. Am nächsten Tisch sitzt Lea, die zwischendurch ihre Mitschüler*innen bittet leise zu sein, damit sie in Ruhe ihre Aufgaben lösen kann. Sie meldet sich und bittet mich um Hilfestellung. Nach einer kurzen Erklärung arbeitet sie konsequent weiter und gibt die Erklärung zwischendurch an die Schülerin neben ihr weiter. Lea hatte vor einem Jahr darum gebeten, in der Kleingruppe arbeiten zu können, um intensiver betreut zu werden. Mein Kollege Matthias unterrichtet zwei Räume weiter den anderen Teil des Mathe-Grundkurses.

Schüler*innen-Entscheidungen, individuelle Bedürfnisse und Methodenvielfalt

Wir arbeiten bereits seit Beginn meiner Fellow-Zeit zusammen. Wir entschieden uns damals dazu, zwei Lerngruppen zu bilden, von denen die kleinere fortan von mir unterrichtet wurde. Matthias und ich sprechen uns regelmäßig über die Inhalte ab, unterrichten aber selbstständig ohne gemeinsame Stundenplanung. Die Tests schreiben die Schüler*innen gemeinsam. Wir stellen ihnen frei, wessen Unterricht sie nach Absprache besuchen möchten. So sind sie in der Lage, ihren individuellen Bedürfnissen nachzugehen und selbst zu entscheiden, wo sie besser lernen können. Einige Schüler*innen haben deutliche Notenbesserungen erzielt. So hat Samuel beispielsweise eine 2 auf dem Halbjahreszeugnis.

Vor allem ist aber die Motivation, am Matheunterricht teilzunehmen, gestiegen. Durch die engere Betreuung ist es uns möglich, konsequent individuelles Feedback zu geben und darauf zu achten, dass sich alle beteiligen. Lernfortschritte können besser erkannt werden und wir können auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen intensiver eingehen. Gerade in Lerngruppen, in denen oft Grundlagenwissen fehlt und eine dementsprechende Demotivation auf Grund ausbleibender Erfolgserlebnisse („Mathe kann ich nicht!“) vorherrscht, ist dies wichtig. Auch in der Zusammenarbeit mit Matthias erlebe ich den Austausch über verschiedene Methoden und Herangehensweisen als sehr wertvoll. So sind wir in der Lage, immer wieder Neues auszuprobieren und den Schüler*innen eine Vielfalt von Lernmöglichkeiten nahe zu bringen.

Mehr davon!

Teamteaching und Kleingruppenarbeit können den Lernerfolg von Schüler*innen steigern. Sie tragen zu einer erhöhten Qualität des Unterrichts bei und fördern auch den Austausch unter Lehrkräften. Gleichzeitig wirken sie entlastend. Ich persönlich wünsche mir, dass es an deutschen Schulen größere Ressourcen für die Arbeit in Lehrteams gäbe und die Offenheit gegenüber einer solchen Unterrichtsgestaltung steigt. Als Teach First Fellow freue ich mich die Möglichkeit zu haben, in einer solchen Form zu unterrichten und so gemeinsam mit meinen Kolleg*innen einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit für unsere Schüler*innen zu leisten.

 

 

 

Lisa Nöckel ist seit 2015 Fellow an der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Köln-Chorweiler. Sie unterrichtet hauptsächlich in den Fächern Mathematik und Englisch und wirkt an der Vorbereitung der 10er auf ihre Abschlussprüfungen mit. Sie berichtet im Wechsel mit anderen Fellows regelmäßig aus ihrem Schulalltag.