Kurz bevor sich alle Fellows der Klasse 2016 zu gemeinsamen Fortbildungstagen in der Nähe von Bielefeld treffen, hat Fellow Nina noch einen Rückblick auf die NRW-Fortbildung im vergangenen Herbst geworfen. Auf dem Programm stand unter anderem Klassenraum-Management, Situational Leadership, Projektmanagement und Coaching.
In Nordrhein-Westfalen haben im Jahr 2015 11.000 Schülerinnen und Schüler die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Das sind für uns 11.000 zu viel, gemessen an der Vision Jedes Kind verlässt die Schule mit einem Abschluss und dem festen Glauben an den eigenen Erfolg. Und genau mit der Erinnerung an diese Vision, an der ich als Fellow täglich an meiner Einsatzschule arbeite, hat unsere dreitägige NRW-Fortbildung im November 2016 begonnen.
Für zwei Tage haben wir, die 2016er Fellows aus NRW, uns im Ruhrpott getroffen, um noch einmal tief in die Teach First Deutschland Welt einzutauchen, uns auszutauschen und unser Wissen zu erweitern. Unter dem inoffiziellen Motto „Angekommen und nun den (eigenen) Weg einschlagen“ haben wir unsere bisherige Einsatzzeit an unseren Schulen reflektiert, über Herausforderungen und das, was schon gut läuft, gesprochen und mit vertiefendem Input neue Inspiration bekommen.
Am ersten Tag haben wir uns nach einem großen Hallo, dem Ankommen und dem Rückblick auf die Vision mit Klassenraum-Management und den Umgang mit Störungen im Unterricht beschäftigt. Unterbrechungen im Unterricht lassen sich meist auf einen Grund zurückführen, der beispielsweise mit einer Unter- oder Überforderung zu tun hat sowie dem Verlangen nach Aufmerksamkeit von Mitschülern und Mitschülerinnen oder der Lehrkraft. Durch unsere diversen Erfahrungsberichte und unseren individuellen Umgang damit haben wir in der Session einen bunten Strauß an möglichen Aktionen und Reaktionen gesammelt. Besonders die Wirkung der körperlichen Präsenz, also sich einfach mal neben den Unruhepol stellen, und der positiven Verstärkung (die Schüler*innen, die es richtig machen, durch Loben hervorheben) empfinde ich persönlich als besonders hilfreich in meinem Alltag an der Schule. Der Impuls, mehr Entscheidungen bezüglich Störungen an die Schüler und Schülerinnen selbst abzugeben, war für mich ebenfalls sehr ansprechend und hat sich in der Praxis als ein sehr guter Weg herausgestellt. So stelle ich nun nicht mehr die Frage nach dem „Warum“ der Störung sondern frage nach Alternativen, der eigenen Auffassung und Einschätzung der Situation sowie der Konsequenzen und gebe diese Fragen an das Plenum weiter. Dabei geht es darum, den Schülerinnen und Schülern einen alternativen Umgang mit Situationen, die Störungspotenzial haben, zu eröffnen und sie zu fragen: Wie kann ich dir helfen, dass du dein Ziel erreichst?
Anweisung, Anleitung oder Unterstützung?
Wir haben uns außerdem mit dem Konzept des Situational Leadership beschäftigt. Dazu haben wir zunächst vier unterschiedliche Leadership-Szenarien sowie die dazugehörigen Kompetenzen und Einstellungen des Gegenübers vorgestellt bekommen. Dieses Führungskonzept lässt sich sehr gut auf die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern übertragen, da jede und jeder von ihnen sein/e eigenen Eigenschaften und Bedürfnisse hat, die jeweils ein anderes Eingehen seitens der Lehrperson mit sich bringt. Zurück an der Schule war es trotzdem zunächst gewöhnungsbedürftig sich dieser Tatsachen immer bewusst zu sein, besonders bei meiner sehr heterogenen Willkommensklasse. Aber ich versuche nun immer, für meine Schülerinnen und Schüler zu eruieren, ob sie eher eine Anweisung, eine Anleitung oder eine Unterstützung nötig haben oder ob ich Aufgaben und ähnliches an sie delegieren kann.
Besonders für die eher herausfordernden Fokus-Schüler und Schülerinnen hat dieses Vorgehen bereits positive Erfolge mit sich gebracht. So erreiche ich einen Schüler nun deutlich besser, da ich ihn direkter anleite. Anweisungen würden ihn unterfordern, reine Unterstützung überfordern. Er hat sich inzwischen besser in die Lerngruppe eingefunden und seinen Part der Arbeit erkannt und übernommen. Besonders die Unterstützung beim Erkennen seiner Fortschritte und den Herausforderungen scheint ihm sehr zu helfen.
Am zweiten Fortbildungstag ging es um Projektmanagement an der Schule. Bereits während der Vorbereitungen auf unseren Einsatz in der Sommerakademie haben wir uns mit Projektmanagement und dessen Einsatz an der Schule beschäftigt, denn Projekte stellen einen wichtigen Teil der Fellow-Arbeit dar. Sie ermöglichen es den Schülerinnen und Schülern, mal abseits des klassischen Unterrichts Selbstwirksamkeitserfahrungen und Selbstvertrauen zu sammeln. So führen einige meiner Fokus-Schülerinnen und Schüler zurzeit ein Sprachprojekt durch mit dem Titel „Komm, ich zeig dir meine Heimat“. Dabei geht es darum, ihre Herkunftsländer und -sprachen den Mitschülerinnen und Mitschülern sowie dem Schulpersonal näher zu bringen. Ich bringe ihnen dabei Werkzeuge der Projektplanung näher, sie selbst planen, organisieren und führen das Projekt durch.
Direkte Arbeit an den Projekten
Bei diesem Teil der Fortbildung frischten wir unser Wissen auf und vertieften es. In Einzel- oder Gruppenarbeit haben wir dafür mögliche oder bereits angelaufene Projekte in Projektmanagement-Bausteine aufbereitet. Zudem haben wir weitere Tools kennengelernt und auf unsere Projekte angewandt. Ich selbst habe an dem Tag an meinem Patenschaftsprojekt für die Schülerinnen und Schüler in der Willkommensklasse gearbeitet, deren Erstförderung (2 Jahre in eigenen Klassen/Kursen für die Sprachförderung) im nächsten Schuljahr endet.
Am letzten Tag der Fortbildung standen die Schülerinnen und Schüler und deren Coaching vermehrt in unserem Fokus. Bei Einzelgesprächen mit den Schülerinnen und Schülern soll nicht das Warum von Handlungen, Einstellungen oder Reaktionen besprochen werden, sondern der Fokus auf das weitere Vorgehen und die Zukunft gerichtet werden. Hier konnten wir das Konzept direkt mit einer Schülerin erproben, die durch einen Fellow bereits damit in Berührung gekommen war. Und ich biete nun an meiner Einsatzschule zwei Mal in der Woche persönliche Sprechzeiten für Schülerinnen und Schüler an.
Wiedersehen in Bielefeld
Alles in allem war die Fortbildung eine gelungene Veranstaltung um einmal aus dem Schulalltag rauszukommen, Dinge zu reflektieren, neue Kraft und Ideen zu sammeln und gestärkt zurück an die Schule zu kommen. Gerade deshalb freue ich mich schon besonders auf die nächste Fortbildung Ende März, bei der sich dieses Mal alle Fellows der Klasse 2016 bundeslandübergreifend in Bielefeld treffen, dort, wo unsere gemeinsame Ausbildung auch im vergangenen Sommer begann. Neben einem fröhlichen Wiedersehen und den Austausch mit den Fellows aus Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg und Hessen freue ich mich besonders auf die Einheiten zum Thema Student Leadership und Growth Mindset, bei denen es darum geht unsere Schülerinnen und Schüler zu befähigen ihre eigene Haltung zum Lernen und ihre Motivation zu reflektieren sowie ihr Selbstbild zu stärken. Außerdem wird es Workshops zum Thema Sprachvermittlung geben, die für mich, als Fellow, die in einer Willkommensklasse eingesetzt ist, sicher voller hilfreicher neuer Ideen und Inspirationen sind.
Nina-Vanessa Warnecke ist Fellow an der Gesamtschule Weierheide in Oberhausen. Dort arbeitet sie schwerpunktmäßig mit Kindern mit Fluchterfahrung.