Juliane ist Fellow an der Erich-Kästner-Schule in Bochum. Mittels Projektmanagement-Techniken hat sie ihre Schülerinnen und Schüler befähigt, sich selbstständig auf ihre Abschlussprüfungen vorzubereiten. Wie das vonstattenging, beschreibt sie in ihrem Beitrag.
„Was macht ihr in genau sieben Monaten?“, fragte ich im Oktober letzten Jahres meine 10. Klasse. Nach einigem Raten fiel einem Schüler ein: „Wir schreiben unsere Zentralen Abschlussprüfungen.“ „Ja, ganz genau! Habt ihr euch darüber schon mal Gedanken gemacht?“ Alle schüttelten die Köpfe.
Abschlussprüfungen sind das große Finale einer Schulzeit. Sie sind sagenumwoben, angstbesetzt und manchmal sogar verhasst. Doch ich wollte nicht, dass die Schülerinnen und Schüler in sieben Monaten wie Kaninchen vor der Schlange sitzen und nicht wissen, was da auf sie zukommt.
Vor meiner Arbeit bei Teach First Deutschland sammelte ich Berufserfahrung im Projektmanagement und plante Veranstaltungen für Netzwerke im Bereich Private-Public-Partnership. Ich wusste also aufgrund eigener Erfahrung, dass eine strukturierte Planung und Vorbereitung zum Erfolg führt. Auch meine Unterrichtsvorbereitungen waren stets ein kleines Projekt, um Jugendliche für neue Themen zu begeistern. Für mich war damit klar: Die Kids werden Projektmanager und -managerinnen, um ihre Abschlussprüfungen zu rocken!
Schülerinnen und Schüler sollen eigene Projekte realisieren
Dank der Kooperation zwischen GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. und Teach First Deutschland bekam ich bei der Planung tolle Unterstützung. Teil einer jeden Fellow-Zeit sind Projekte an den Schulen. TFD vermittelt uns mit Weiterbildungen das richtige Handwerkszeug, um erfolgreiche und professionelle Projekte realisieren. Und jedes Fellow-Projekt lebt von einem engagierten Projektteam: Unseren Schülerinnen und Schülern. Unser Ziel ist es, Jugendliche zu befähigen, eigene Projekte zu planen und durchzuführen. Das ist eine der Schnittstellen zur GPM. Mit dem Programm Projektmanagement macht Schule erhielten wir Fellows Zugang zu Materialien, damit Schülerinnen und Schülern lernen, eigene Projekte zu realisieren.
Also setzte ich mich an den Schreibtisch und entwickelte ein Konzept für „Projekt: ZAP“. Ausgangspunkt meiner Arbeit waren die Materialien von Projektmanagement macht Schule. Ich erstellte ein pädagogisches Konzept, das die Jugendliche dazu befähigte ihre eigenen Abschlussprüfungen im Unterricht langfristig zu planen. In der Klasse bin ich gemeinsam mit der Fachlehrerin im Fach Gesellschaftslehre tätig. Dank der Unterstützung und des Vertrauens meiner Kollegin konnte ich das Projekt in diesen Unterricht einbringen.
Den Einstieg bildete das Bild eines Baums: Die Baumkrone stellte das Ziel dar. Die Wurzeln waren all das Wissen und die Ressourcen, die die Jugendlichen bereits besitzen. Der Baumstamm waren die kommenden Monate und Schritte, die sie gehen wollten. Diese Metapher war ein Selbstläufer. Anhand der Übung visualisierten die Jugendlichen, welche Ressourcen sie bereits besaßen. Mir war wichtig, dass sie erkennen, wie viel Wissen in ihnen selbst wohnt und wie viel Unterstützung sie von ihrem Umfeld erhalten.
Der Baum als ein Bild für Projektmanagement zeigt auch, dass viele Schritte und Methoden des Projektmanagements sehr intuitiv und vielseitig einsetzbar sind. Damit findet Projektmanagement auch im Klassenzimmer ein gutes Zuhause.
Innerhalb der Unterrichtsreihe lernten die Schülerinnen und Schüler, SMARTe Ziele zu setzen, um private und schulische Wünsche zu erreichen. Ziel der Unterrichtsreihe war es, dass jede und jeder in der Klasse einen Projektvertrag mit mir unterschreibt, um ihre bzw. seine Ziele für die Abschlussprüfungen verbindlich zu machen.
Vorbilder im eigenen Klassenraum
Eine Schülerin und ein Schüler der Klasse leiteten zwei Stunden lang den Unterricht. Gemeinsam mit mir hatten sie vorab die Tools Umfeld- und Risikoanalyse sowie Teilzielliste mit Indikatoren erarbeitet. Sie waren Vorbilder im eigenen Klassenraum und damit stieg die Identifikation mit den Inhalten. Das persönliche Ownership stand dabei stets im Vordergrund. Die beiden Jugendlichen haben mich unglaublich beeindruckt wie engagiert sie den Unterricht vorbereiteten und ihre Klasse anleiteten.
Doch bevor es zum finalen Projektvertrag kam, beschäftigten wir uns auch mit den Schattenseiten dieser Übung. Viele der Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich an dieser Stelle das erste Mal konkret mit den bevorstehenden Prüfungen. Dies löste verständlicherweise auch negative Gefühle und Ängste aus. Aus diesem Grund nahmen wir uns zwei Stunden zur fast ausschließlich zur Reflexion Zeit, um über Prüfungs- und Versagensängste zu sprechen. Auch im anonymen Feedback erhielt jede/r die Möglichkeit sich zu äußern. Am Ende war die Resonanz sehr positiv. Die überwältigende Mehrheit der Klasse sagte, dass sie sich jetzt sicherer und entspannter beim Gedanken an die Prüfungen fühlten.
Und dann, Mitte November, war es soweit: Alle unterschrieben ihre Projektverträge!
Auch das Kollegium schätzte die Arbeit der Klasse, sodass die Verträge am Schülersprechtag auch von der Klassenleitung aufgegriffen wurden. Die Verträge waren Grundlage für die Abschlussperspektiven. Innerhalb der nächsten Monate setzten sich die Schülerinnen und Schüler jede Woche ein persönliches Wochenziel, um ihren Zielen für die Prüfungen näher zu kommen.
Workshop mit der GPM
Auf der Zielgeraden erhielt die Klasse dann Besuch: Dank der Kooperation zwischen der GPM und Teach First Deutschland boten wir einen einzigartigen Workshop an. Gemeinsam mit Uta-Maria Hangebrauck, Projektmanagerin und erweiterte Leitung der GPM Regionalgruppe Dortmund/Ruhrgebiet, leitete ich einen zweistündigen Projektmanagementworkshop. Im Workshop planten die Schülerinnen und Schüler konkret die Wochen vor und während der Prüfungen. Innerhalb eines Kalenders erfassten sie ihre möglichen Lernzeiten. Frau Hangebrauck stellte ein Tool zur Verfügung, in dem jede/r seine/ihre eigenen Ziele visualisierte. Zusätzlich griffen wir Risiko- und Umfeldanalyse noch einmal auf und verpassten ihnen ein Update. Der Fokus lag dabei darauf, Chancen zu identifizieren und Unterstützung im Umfeld zu finden. Die Schülerinnen und Schüler verabredeten konkrete Termine mit sich selbst. Die Prüfungsvorbereitung war nicht mehr abstrakt, sondern wurde ein fester Termin im Kalender.
Die Impulse der GPM und Frau Hangebrauck gaben der Klasse auf der Zielgraden noch einmal unglaublich viel Energie. Nachdem die Ziele des Workshops erklärt waren, herrschte eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre im Klassenzimmer. Das positive Feedback aller Schülerinnen und Schüler war überwältigend.
Ein Aspekt guten Projektmanagements ist die Identifikation des Projektteams mit den Zielen. Das bedeutete für diese 10. Klasse zu realisieren, dass die Abschlussprüfungen voll und ganz in ihren Händen lagen und vor allem, dass ihre Ziele machbar sind. Mir persönlich liegt die Selbstbefähigung von Schülerinnen und Schülern am allermeisten am Herzen. Dank der Unterstützung von Frau Hangebrauck und der GPM erreichte ich mit meiner Klasse genau dieses Ziel: Sie rockten ihre Abschlussprüfungen!
Autorin: Juliane Seumel ist Fellow der Klasse 2015 an der Erich-Kästner-Schule in Bochum.
„Mein herzlicher Dank geht an Uta-Maria Hangebrauck für den genialen Workshop und den wertschätzenden und inspirierenden Austausch, sowie an Sarah-Janina Khayati von der GPM und Antonio Piscopo von TFD, dass sie diese Veranstaltung überhaupt möglich gemacht haben.“